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Menschliche Metropole: Bessere Chancen für alle durch Bildung

Dienstag, 24.02.2009

Einzelplan 3.1

 

Bildung entscheidet über die Zukunft unserer Kinder und unserer Gesellschaft. Der Schlüssel zum Erfolg ist mehr Chancengleichheit. Hamburg kann es sich nicht leisten, so fahrlässig wie bisher mit den Chancen von Kindern umzugehen.

Hamburgs Schulpolitik muss sich drei großen Herausforderungen stellen:

 Zu viele Schülerinnen und Schüler werden zu Bildungsverlierern.

 Auch die Leistungsspitze muss nach internationalen Maßstäben besser werden.

 Das staatliche Schulsystem ist aufgrund dieser Probleme, aber auch aufgrund hektischer und schlecht geplanter Reformen in eine Vertrauenskrise geraten.

Die bisherige Bilanz: Regelmäßig belegt Hamburg bei Bildungsvergleichen einen der letzten Plätze. Grund dafür ist eine weit überdurchschnittlich hohe Zahl von Bildungsverlierern und in eine zu geringe Zahl von leistungsstarken Schülerinnen und Schülern. Hamburgs Schulen schaffen es nur unzureichend, Kindern unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Elternhaus Chancengleichheit zu verschaffen. Gerade Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund haben es deshalb in den Schulen besonders schwer.

So verfügen über 25 Prozent der 15jährigen Hamburger Schülerinnen und Schüler in Mathematik, Leseverständnis und Naturwissenschaften über so geringe Kenntnisse, dass eine berufliche Ausbildung kaum möglich ist. Über 11 Prozent der Schülerinnen und Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss. Dabei zeigt sich die soziale Spaltung der Stadt. In den drei Schulregionen Wilhelmsburg, Billstedt/Horn oder Lurup/Osdorf erreichten 2007/8 über 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler keinen Schulabschluss.

Auch die Leistungsspitze muss nach internationalen Maßstäben besser werden. Zwar machen in Hamburg verhältnismäßig viele Schülerinnen und Schüler das Abitur, doch zu wenige erreichen Spitzenleistungen. Gerade in den weiterführenden Schulen müssen deshalb neue Unterrichtsmethoden sowie fächerübergreifendes, individualisiertes Lernen eingeführt bzw. ausgebaut werden, um den Schülerinnen und Schülern neue Herausforderungen zu bieten.

In dieser Situation hat die schwarz-grüne Koalition überraschend die Einführung der Primarschule beschlossen. Die Primarschule bietet durch das längere gemeinsame Lernen Chancen, ihre Einführung birgt aber aufgrund zahlreicher organisatorischer Probleme sowie wegen der Umstrukturierung sämtlicher Schulen im laufenden Betrieb erhebliche Risiken. Nach Abwägung der Chancen und Risiken hat keine Partei vor der Wahl 2008 die Einführung der Primarschule gefordert, weil die Risiken als zu hoch eingeschätzt wurden. Seitdem gibt es keine neuen Erkenntnisse, die zu einer Neubewertung Anlass geben. Die Primarschule wird viel Zeit, Kraft und Geld kosten. Denn die Schulstruktur passt nicht zu dem neuen Modell und muss für viel Geld komplett umgebaut werden – mit einschneidenden Veränderungen für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte. Wir sind überzeugt, dass sich die dafür notwendigen Mittel und die dazu benötigte Kraft sinnvoller einsetzen lassen.

Die überraschende Wende der Hamburger Schulpolitik fügt sich nahtlos in eine Kette von hektischen Reformen, die das Vertrauen in das staatliche Schulsystem untergraben. Zu oft haben schlecht geplante und wenig durchdachte Schulreformen – beispielsweise die Schulzeitverkürzung an den Gymnasien – die Schulen belastet. Eine wachsende Zahl von Eltern misstraut aufgrund dieser Politik dem staatlichen Schulsystem. Umfragen zeigen ein zunehmendes Interesse an Privatschulen. Die SPD sieht diese Entwicklung mit großer Sorge. Eine Abwanderung engagierter Familien aus dem staatlichen Schulsystem wird die Probleme erheblich verstärken und tut weder den Schülerinnen und Schülern noch der Gesellschaft gut.

Erfolgreiche Schulentwicklung – beispielsweise in den skandinavischen Ländern – zeigt, dass eine gelungene Weiterentwicklung des Schulsystems nur durch Stetigkeit, Verlässlichkeit und Beteiligung möglich ist. Schule ist ein komplexes System, das nicht nach jeder Wahl je nach Mehrheitslage komplett neu erfunden und umgekrempelt werden kann. Schulreformen müssen nach unserer Auffassung verlässlich und mit Augenmaß die Schulen weiterentwickeln, statt sie alle vier Jahre bei jeder Wahl aufs Neue komplett in Frage zu stellen.

Mit unserer Schulpolitik wollen wir diesen Weg gehen. Wir wollen die Chancengleichheit verbessern, die Zahl der Schulabbrecher halbieren, Qualität und Quantität der Schulabschlüsse steigern, das Vertrauen in das staatliche Schulsystem stärken und die zersplitterte Hamburger Schullandschaft Schritt für Schritt zusammenführen.

PISA hat gezeigt, dass integrierte Systeme leistungsfähiger sein können. Deshalb wollen wir integrierte Schulsysteme voranbringen. Dieser Prozess der Umsteuerung unseres Schulsystems zu einer Schule für alle wird etliche Jahre in Anspruch nehmen. Ein erster Schritt ist die Schaffung der Stadtteilschule, zu der sich Schulen verschiedener Schulformen zusammenschließen. Der Zusammenschluss wird dadurch vorangetrieben, dass diese Schulen aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für den Stadtteil besondere Förderung bekommen. Wir werden die Gymnasien nicht abschaffen. Aber auch diese werden sich ändern müssen. Auch am Gymnasium darf eine Auslese, ein Wegdrücken von Problemen nicht mehr möglich sein. Stattdessen ist auch das Gymnasium verpflichtet Kinder und Jugendliche individuell zu fördern.

Gute Bildung gibt es nicht umsonst. Schulen müssen mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet werden. Die letzten Jahre seit 2001 haben zu einem erheblichen Abbau von Lehrerstellen geführt. So wurde im Jahr 2007 mit 13.328 Lehrerstellen (Bedarf) ein Tiefststand erreicht, dies entspricht einem Abbau von 848 Lehrerstellen gegenüber 2001. Seit dem wachsen zwar die Lehrerstellen, auch dank der vielen Proteste gegen die großen Klassen, der schwarz-grüne Koalitionsvertrag hat diese Einsparungen jedoch nicht völlig zurückgenommen.

Die großen Aufgaben für Hamburgs Bildungspolitik bestehen darin:

• Die zersplitterte Schullandschaft zusammenzuführen;

• Ein besseres Lernen durch individualisiertes Lernen und kleinere Klassen zu ermöglichen;

• Den Ausbau der Ganztagsschulen voranzubringen;

• Ein Programm für Chancengleichheit aufzulegen;

• Die Hälfte der Grundschulen zu IR-Schulen entwickeln;

• Lernmittelfreiheit wieder herstellen.

Folgende Haushaltsmittel stehen für sinnvolle Reformen zur Verfügung:

• Jeweils 20 bzw. 19 Millionen Euro Rückstellungen in 2009 bzw. 2010;

• Je 7 Millionen Euro für die Einrichtung von Ganztagsschulen in 2009 und 2010;

 

• Ab Sommer 2010 ein Stellenüberhang von rund 278 Stellen an den Gymnasien aufgrund der verkürzten Gymnasialschulzeit;

• Ein großer Teil der insgesamt jährlich 25 Millionen Euro, die derzeit als zusätzliche Kosten durch das Sitzenbleiben von durchschnittlich 4.200 Schülerinnen und Schülern jährlich entstehen;

• Mittel aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung in Höhe von insgesamt rund 300 Millionen Euro für Hamburg, die anteilig auch für Investitionen im Schulbereich zur Verfügung stehen.

 

1. Hamburgs zersplitterte Schullandschaft zusammenführen

Hamburg hat zu viele verschiedene Schulformen. Dadurch ist in Hamburg statt einer Kultur des individuellen Förderns eine Kultur des Ab- und Umschulens zwischen den zahlreichen Schulformen des gegliederten Schulwesens entstanden. Wir wollen deshalb die zersplitterte Schullandschaft zusammenführen und die Kultur des Förderns und der Verantwortung der Schule für ihre Schülerinnen und Schüler ausbauen. Die Stadtteilschule ist auf diesem Weg der erste Meilenstein. Sie soll mit dem Beginn des Schuljahrs 2010/2011 eingeführt werden. Die Stadtteilschule ist für uns nicht die schlechtere von zwei Säulen. Wir wollen sie zu der neuen Schule für Hamburg entwickeln. Und wir wollen die Gymnasien in den Prozess innerer Schulentwicklung mit einbinden und dort das Abschulen durch eine bessere Förderung ersetzen.

Nach dem Vorbild der integrierten Gesamtschule sollen an der Stadtteilschule alle Schulabschlüsse bis zum Abitur erlangt werden können. Diese Maßnahme wurde von der Hamburger Enquete-Kommission vorrangig empfohlen.

Die Stadtteilschule braucht ein klares Profil. Berufsorientierung sowie individualisierter Unterricht müssen dabei eine besondere Rolle spielen. Fortbildungen für die Lehrkräfte sind dazu unerlässlich.

Die Stadtteilschule muss darüber hinaus je nach sozialer Lage (Kess-Faktor) deutlich geringere Klassenfrequenzen bekommen. Ziel ist in den Klassen 5 und 6 eine Basisfrequenz von 18 Schülerinnen und Schülern im Kess-1 und Kess-2-Gebiet bzw. von 21 Schülerinnen und Schülern in den übrigen Gebieten. Alle Stadtteilschulen sollen darüber hinaus durch sozialpädagogische Kräfte verstärkt werden.

Die Stadtteilschule soll überwiegend als Ganztagsschule organisiert werden. Die Ganztagsschule bietet die besten Voraussetzungen für wirksames Lernen.

 

2. Besser lernen - durch individualisiertes Lernen und kleinere Klassen

2.1. Individualisiertes Lernen fördert die vielfältigen Begabungen besser

Wenn wir die Begabungen und Interessen aller Schülerinnen und Schüler besser entfalten wollen, muss die Schulpolitik noch stärker berücksichtigen, dass Kinder sehr verschieden sind. Statt diese Vielfalt zu fördern, werden Kinder noch zu oft in scheinbar homogene Klassen sortiert und dort mit dem gleichen Unterricht berieselt. Dadurch werden nicht nur Bildungsverlierer produziert, sondern es wird auch die volle Entfaltung der Leistungsspitze behindert.

Für besseren Lernerfolg brauchen wir in Zukunft einen passgenauen Unterricht, der jedes Kind individuell erreicht und selbständiges individuelles Lernen fördert. Entsprechende Unterrichtskonzepte haben viele Schulen bereits auf eigene Faust entwickelt. Jetzt gilt es, diese Kompetenzen einzelner Schulen flächendeckend in allen Schulformen umzusetzen.

Für bessere Bildung ist es zudem notwendig, die geplante Oberstufenreform zu überarbeiten. Die Abschaffung des bisherigen Leistungskurs- und Grundkurssystems führt in Verbindung mit der Verringerung der Unterrichtsstunden von 5 auf 4 bzw. von 3 auf 2 Stunden zum Verlust von Exzellenz in der Bildung. Zudem bedeutet die erhebliche Beschränkung der Wahlfreiheit eine Rückkehr in die Schulpolitik der 50er Jahre. Wir wollen stattdessen das bestehende Kurssystem mit dem Ziel weiterentwickeln, fächerübergreifendes, individualisiertes Lernen zu ermöglichen.

Die Bürgerschaft möge deshalb beschließen:

Der Senat wird aufgefordert

1. die angekündigte Fortbildungsoffensive des Landesinstituts so zu modifizieren, dass dafür wenigstens zwei Drittel der 30 obligatorischen Lehrerfortbildungsstunden pro Schuljahr sowie zwei Drittel des Fortbildungsangebotes aufgewendet werden. Die Fortbildungen sollen überwiegend für Gruppen, Teams oder ganze Kollegien angeboten werden, um die Zusammenarbeit zu fördern. Das Landesinstitut soll darüber hinaus Unterrichtsmodelle und -materialien insbesondere für die weiterführenden Schulen entwickeln.

2. durch das Landesinstitut in Zusammenarbeit mit den Schulen die Bildungspläne und das Beurteilungswesen in den Zeugnissen auf individualisiertes Lernen und Kompetenzstufen abzustimmen.

3. die für 2009 geplante Profiloberstufe zu verschieben und zu überarbeiten mit dem Ziel, 2010 ein verbessertes Modell mit fächerübergreifendem und individualisierten Lernen unter Beibehaltung von Wahlmöglichkeiten sowie fünfstündigen Leistungs- und dreistündigen Grundkurssystem weiterzuentwickeln.

 

2.2 Besser lernen in kleineren Klassen

Hamburgs Schulklassen sind immer größer geworden. Die durchschnittliche Größe der ersten Klassen hat sich von 23,8 im Jahr 2001 auf 26,8 im Jahr 2006 erhöht. Klassen mit 30, ja 31 Schülerinnen und Schülern sind keine Seltenheit mehr. An den Gymnasien ist eine Klassengröße von bis zu 32 Schulkindern in den Klassen 5 und 6 sogar die Regel.

Die CDU hat lange bestritten, dass die Klassengröße etwas mit dem Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler zu tun hat. Jetzt hat ein Umdenken eingesetzt. 2008 beschlossen alle Fraktionen gemeinsam die Verringerung der Klassenstärken. Zum Schuljahr 2009/2010 ist geplant, für alle vier Jahrgangsstufen der Grundschule der KESS-Sozialindexgruppen 3 bis 6 die Basisfrequenz auf 23 abzusenken. Für die Grundschulen der KESS-Sozialindexgruppen 1 und 2 ist die Absenkung der Basisfrequenz auf 18 aufwachsend beschlossen.

Im Rahmen der Primarschulreform wurden auch Haushaltsmittel bereitgestellt, um die Klassenfrequenzen in den 5. und 6. Klassen auf höchstens 25 Schülerinnen und Schüler abzusenken. Zurzeit gilt in diesen Klassenstufen an den Gymnasien die Höchstgrenze von 32 Schülerinnen und Schülern, an den Gesamtschulen sowie den Haupt- und Realschulen die Höchstgrenze von 29 Schülerinnen und Schülern. Die SPD lehnt die Primarschulreform ab und fordert stattdessen, die Absenkung der Klassenfrequenzen für die Klassen 5 und 6 auf die 5. und 6. Klassen der Gymnasien und Stadtteilschulen haushaltsneutral zu übertragen.

Diese Ziele sind ab dem Schuljahr 2010/2011 beginnend mit der Klasse 5 an den zu diesem Schuljahr einzurichtenden Stadtteilschule sowie den Gymnasien umzusetzen.

Die Bürgerschaft möge daher beschließen:

1. Die Basisfrequenz in den Klassen 5 und 6 der Stadtteilschulen, die in sozial benachteiligten Stadtteilen liegen, beträgt 18.

2. Die Basisfrequenz in den Klassen 5 und 6 der Stadtteilschulen, die in den übrigen Hamburger Stadtteilen liegen, beträgt 21.

3. Die Klassengröße in den Klassen 5 und 6 der Gymnasien beträgt 25.

4. Die Organisations- und Basisfrequenzen sind ab dem Schuljahr 2010/2011 entsprechend anzupassen. Die entsprechenden Mittel sind aus den dafür vorgesehenen Haushaltstiteln 3000.971.02 und 3020.971.01 zu begleichen.

 

3. Mehr Zeit zum Lernen – Ausbau der Ganztagsschulen voranbringen

War der weitere Ausbau von Ganztagsschulen in Hamburg bereits unter dem CDU-Senat ungewiss, da für das Jahr 2008 der Senat im Haushaltsplan keine Gelder mehr für den Ausbau von Ganztagsschulen vorgesehen hatte, weil fast alle entsprechenden Ressourcen für die Gymnasien verwendet worden waren, um deren G 8 – Umbau abzufedern , so hat sich die Situation unter dem schwarz-grünen Senat nicht wesentlich verbessert. Zwar sieht der Koalitionsvertrag den Ausbau von 50 weiteren Ganztagsschulen vor. Allerdings gestanden die Senatvertreterinnen und Senatsvertreter in den Haushaltsberatungen ein, dass aufgrund der Einführung der Primarschulen die Schulen erst nach der Entscheidung über die neue Schulstrukturreform darüber entscheiden werden, ob sie Ganztagsschule werden wollen oder nicht. Deshalb sei die Finanzierung der geplanten Ausweitung des Ganztagsschulbetriebs nicht im vorgelegten Doppelhaushalt verankert, sondern erst in den Jahren 2011/12.

Der Senat verzögert den notwendigen Ausbau von Ganztagsschulen. Ein so wichtiger Eckpunkt für bessere Schulen darf jedoch nicht weiter verschoben werden.

Hamburg braucht dringend ein regionales und über die Schulformen ausgeglichenes Netz an verbindlichen Ganztagsschulen. „Mehr Zeit zum Lernen" zu ermöglichen ist für alle Schülerinnen und Schüler ein zentraler Baustein für bessere Lernerfolge. Die Ganztagsschule stellt in Zeiten der durch die PISA-Studie belegten Dauerkrise des Schulsystems eine Perspektive dar, durch eine längere Anwesenheit in der Schule die Leistungen und Lernerfolge der Schülerinnen und Schüler zu verbessern. Gerade leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler sowie Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund brauchen ganztägige Angebote zur Vertiefung des Gelernten. Aber auch besonders begabte Kinder und Jugendliche können durch spezielle Angebote profitieren.

Jugendliche lernen hier anders. Die längere Schulzeit ermöglicht einen altersgerechten Rhythmus beim Lernen. Der Pflichtunterricht wird durch zusätzliche Angebote sinnvoll ergänzt, wie z. B. Hausaufgabenbetreuung, Förderkurse für Deutsch und Fremdsprachen, sowie Arbeitsgemeinschaften für sportliche, musikalische und kulturelle Interessenschwerpunkte.

Allen Eltern soll es möglich sein, ihre Kinder in ihrer Region auf eine Ganztagsschule zu schicken, auch um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können. Ein entscheidendes Kriterium für die Auswahl der Ganztagsschulen ist in Hamburg der soziale Gesichtspunkt.

Ein so wichtiger Eckpunkt für bessere Schulen darf nicht weiter verschoben werden. Bei dem Ausbau der Ganztagsschulen sind vor allem die soziale Lage, die gleichmäßige regionale Verteilung sowie die Grund- und Stadtteilschulen zu berücksichtigen.

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird aufgefordert,

1. alle Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass zügig der Ausbau der Ganztagsschulen fortgesetzt wird und keine Verzögerung durch die Einführung der Primarschule eintritt.

2. in sechs Jahren 100 Ganztagsschulen, d. h. jedes Jahr 16 bzw. 17 Ganztagsschulen, einzurichten und jährlich dabei zehn Grundschulen in Ganztagsschulen umzuwandeln. Das Programm erfordert jährlich einmalige Investitionskosten von 8,5 Mio. Euro sowie jährlich aufwaschende Betriebskosten von 10,8 Mio. Euro. Die Investitionskosten sollen durch Mittel aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung, ergänzend durch Mittel aus dem Haushaltstitel 3010.701.02 (Ausbau von Ganztagsschulen) gedeckt werden. Die Betriebsmittel werden aus den ohnehin dafür vorgesehenen Haushaltstiteln, ergänzend durch Umwandlung von Lehrerstellen aus der Schulzeitverkürzung am Gymnasium gedeckt.

 

4. Programm für Chancengleichheit

Die aktuelle Pisa-Studie zeigt: Hamburg hat ungewöhnlich viele schwache Schülerinnen und Schüler. Jeder vierte zeigt bei Pisa nur mangelhafte Leistungen, jeder neunte schafft nicht einmal einen Hauptschulabschluss. Diese Risikoschülerinnen und -schüler sind überwiegend Jungen, sie kommen vor allem aus unterprivilegierten Schichten, haben sehr häufig einen Migrationshintergrund und wohnen in bestimmten Stadtteilen. Zu den Ursachen stellt die aktuelle Pisa-Studie fest: „Ein sehr hoher Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildung ist in Hamburg und Berlin festzustellen. Er liegt signifikant über dem Mittelwert in Deutschland.“

Diese traurige „Hamburgensie“ ist seit Jahren bekannt. Zahlreiche Rezepte sind ausprobiert und liegen in den Schubladen oder werden von engagierten Schulen praktiziert. Eigentlich müsste man nur anfangen. Aber Hamburgs Schulpolitik kümmert sich nicht darum. Statt energisch ein Bildungsprogramm für schwächere Schülerinnen und Schüler zu starten, blockiert Schulsenatorin Goetsch alle Aktivitäten und Gelder für die Einführung der Primarschule. Es macht aber wenig Sinn, in Blankenese die Schulstruktur zu verändern, wenn in Osdorf, Billstedt und Wilhelmsburg ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler nicht einmal den Hauptschulabschluss schaffen. Geld und Arbeitskraft müssen dort eingesetzt werden, wo es am nötigsten ist.

Ein Bildungsprogramm für schwächere Schülerinnen und Schüler sollte folgende Schwerpunkte haben:

 

4.1. Sprachförderung und zusätzliche Unterrichtsangebote

Die Pisa-Studien zeigen, dass Schülerinnen und Schüler ohne ausreichende Deutschkenntnisse in allen Fächern benachteiligt sind. Die Förderung von Risikoschülerinnen und -schülern ist in erster Linie Sprachförderung. Das Beherrschen der Deutschen Sprache ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Schulkarriere, für den späteren beruflichen Erfolg sowie für eine gelungene Integration in die deutsche Gesellschaft. Mehr Unterricht und höhere Leistungsanforderungen führen zu deutlich besseren Ergebnissen. Schwache Schülerinnen und Schüler sollen zusätzlich in weiteren Fächern statt privater Nachhilfe schulischen Förderunterricht bekommen.

Umso verheerender ist die Tatsache, dass der Hamburger Senat im Jahr 2004 die Sprachförderung um 30 Prozent (160 Stellen) gekürzt hat, obwohl der Anteil der Migrantenkinder mit 35 Prozent in Hamburg besonders hoch ist. Der schwarz-grüne Senat hat diese Kürzung nicht zurückgenommen.

Die Bürgerschaft möge daher beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. für die Sprachförderung 120 Lehrerstellen neu zu schaffen. Die Mittel sind den Schulen auf Grundlage der sozialindexbezogenen Verteilungsschlüssel zuzuweisen. Die Kosten von 7,8 Mio. Euro werden durch die Lehrereinsparungen durch die Verkürzung der Gymnasialschulzeit gedeckt.

2. ein Sofortprogramm zu starten, um Lehrkräfte zu gewinnen, die selbst einen Migrantenhintergrund haben. Durch die Schaffung einer Quote für Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund bei gleich guten Abschlüssen kann verhindert werden, dass sie durch andere Bewerberinnen und Bewerber verdrängt werden. Auch Seiteneinsteiger mit anderen akademischen Abschlüssen können nach einer zusätzlichen Ausbildung als Lehrerinnen und Lehrer arbeiten. Diese Lehrerinnen und Lehrer werden in Schulen mit einem hohen Migrationshintergrund eingesetzt.

3. in Zusammenarbeit mit der Universität ein Leseförderprogramm zu starten, in dem Hamburger Lehramtsstudierende an den Hamburger Schulen Lesekurse für förderbedürftige Schülerinnen und Schüler der Klasse 8 und 9 durchführen nach dem Modell des Lernwerks II der Zeitstiftung: Das Projekt lief 2004 bis 2008 als Pilotprojekt mit acht Schulen und ca. 100 Schülerinnen und Schülern. An jeder Schule wurden ein bzw. zwei Fördergruppen mit jeweils acht Schülerinnen und Schülern und zwei Studierenden gebildet. Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 wurden durch einen Lesetest ausgewählt. Durch eine spezielle zusätzliche Leseförderung in den Abschlussklassen der Sekundarstufen I wird ein Abbau beziehungsweise eine Reduzierung der Lesefertigkeitsdefizite angestrebt.

4. Interventionsmaßnahmen zur Leseförderung wie in Bremen einzuführen. Wenn am Ende Klasse 2 der Leselehrgang nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte, werden die Kinder für einen dreimonatigen Intensiv- und Wiederholungskurs vorübergehend aus der Klasse ausgefädelt. Treten Fälle nicht gelungener Alphabetisierung in einzelnen Klassen unerwartet häufig auf, wird der betreffende Unterricht überprüft.

5. dafür zu sorgen, dass die Sprachförderung in Deutsch als Querschnittsaufgabe in allen Fächern der Sekundarstufe 1 wahrgenommen wird.

 

4.2. Fördern statt Sitzenbleiben

Über 4.200 Schülerinnen und Schüler bleiben in Hamburg jedes Jahr sitzen, ein Viertel aller Schülerinnen und Schüler wiederholen wenigstens einmal in ihrer Schullaufbahn eine Klasse. Mit den dadurch entstehenden Kosten von mehr als 25 Millionen Euro könnten alternativ jedem „Sitzenbleiber“ wöchentlich mehr als 12 zusätzliche Förderstunden durch eine ausgebildete Lehrkraft in Kleingruppen finanziert werden. Dafür sollte auch ein Teil der Sommerferien genutzt werden.

In einem Modellversuch erproben zurzeit drei Hamburger Schulen, anstelle des Sitzenbleibens die gefährdeten Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern. Dieses Modell soll zügig auf alle Hamburger Schulen übertragen werden.

Die Bürgerschaft möge daher beschließen:

1. Schülerinnen und Schüler, die normalerweise aufgrund ihrer Leistungen nicht versetzt werden würden, bekommen individuell Förderunterricht von bis zu zwölf Wochenstunden, der bis zur Hälfte ersatzweise für den regulären Unterricht und mindestens zur anderen Hälfte zusätzlich zum regulären Unterricht erteilt wird. Die Personalmittel werden haushaltsneutral durch die Verringerung des Sitzenbleibens aufgebracht.

2. Das Hamburger Schulgesetz wird nach dem Muster der integrierten Gesamtschulen so geändert, dass Schülerinnen und Schüler nicht mehr ausschließlich aufgrund schlechter Noten sitzen bleiben können, sondern stattdessen gefördert werden.

 

4.3. Eltern einbeziehen und ihre Mitarbeit fördern

Eltern von Risikoschülerinnen und -schülern stehen oft der Schule und der Erziehung ihrer Kinder distanziert gegenüber. Die Einbeziehung dieser Eltern in Schule und Erziehung verbessert den Bildungserfolg erheblich. Das gilt vor allem für die Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund.

Als geeignete Maßnahmen haben sich in der Vergangenheit Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und Elternlotsen erwiesen. Engagierte Eltern oder Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter mit Migrationshintergrund arbeiten als Mittler und Botschafter zwischen Schule und Elternhaus. Sie organisieren regelmäßig Einzelgespräche und Elternabende und treffen mit den Eltern Vereinbarungen. Nach diesem Vorbild arbeitet beispielsweise im Stadtteil Neuallermöhe eine Sozialarbeiterin. Auch in Dulsberg waren nach diesem Modell Elternlotsen aktiv. Zukünftig sollen alle Schulen im Kess-1- und Kess-2-Gebiet entsprechende Stunden für Sozialarbeit zugewiesen bekommen.

Die Bürgerschaft möge daher beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. 50 zusätzliche Stellen für Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen zu schaffen, die nach einem noch zu entwickelnden Schlüssel auf alle Schulen im Kess-1- und Kess-2-Gebiet verteilt werden. Die dadurch entstehenden Kosten von 2,2 Mio. Euro werden aus den Einsparungen durch die verkürzte Schulzeit an den Gymnasien finanziert.

2. dafür Sorge zu tragen, dass an allen Schulen mit einem hohen Migrationsanteil für Eltern mit Migrationshintergrund spezielle Eltern- und Informationsabende in den am häufigsten vorkommenden Herkunftssprachen angeboten werden, um einen Kontakt in die Familien herzustellen.

 

4.4. Chancen nach der Schule: Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss senken, Anschluss in Ausbildung oder Arbeit sicherstellen

Jedes Jahr verlassen über 10 Prozent aller Schülerinnen und Schüler die allgemeinbildenden Schulen ohne einen Schulabschluss. In manchen Stadtteilen sind es sogar zwischen 20 und 30 Prozent.

Die Bürgerschaft möge daher beschließen:

Der Senat wird aufgefordert,

- die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss zu senken, in einem ersten Schritt zu halbieren,

- allen Schülerinnen und Schülern, die keinen Ausbildungsplatz finden oder keinen Studienplatz bekommen, eine sinnvolle Anschlussperspektive zu bieten,

- dazu das sogenannte Übergangssystem so umzustrukturieren, dass es sinnvoll Qualifikationen vermittelt und ausgeschlossen wird, dass Jugendliche Lebenszeit in Maßnahmen vergeuden, die nicht aufeinander abgestimmt sind und keine Perspektive bieten.

Dazu ist

- die Berufsorientierung bei Jugendlichen, bei denen absehbar ist, dass der Übergang in eine Ausbildung nicht leicht wird, bereits ab Klasse 8 durch qualifizierte Berufscoachs zu unterstützen.

 

- die Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen durch Kooperation mit beruflichen Schulen auszubauen.

- die Praxisorientierung im allgemeinbildenden System auszubauen.

- eine Evaluierung aller Maßnahmen vorzunehmen; Maßnahmen, die kaum in Ausbildung vermitteln oder die Jugendlichen nicht zu höheren Abschlüssen verhelfen, sind abzuschaffen.

 

4.5 JobPaten helfen Jugendlichen mit Migrationshintergrund bei der Job-Suche

Bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz werden Jugendliche mit Migrationshintergrund auch bei gleicher Fachkompetenz in Hamburg deutlich benachteiligt. Die ULME-Studie, die die Leistungen, Motivation und Einstellungen zu Beginn der beruflichen Ausbildung untersucht, beschreibt und belegt die Diskriminierung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund beim Übergang in das duale System deutlich.

Bergedorfer Unternehmer haben das Projekt JobPaten in Bergedorf ins Leben gerufen. Ziel des Projekts ist es, dass sogenannte JobPaten jungen Migrantinnen und Migranten bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz helfen und sie während der Ausbildung begleiten. Die JobPaten kommen aus der örtlichen Wirtschaft und können durch persönliche Kontakte und eigene Berufserfahrung bei der Job-Suche helfen. Es werden junge Männer und Frauen im Alter zwischen 17 und 24 Jahren betreut. Sie kommen u. a. aus Afghanistan, Russland, Kasachstan und dem Kosovo.

Vor allem ältere JobPaten, die bereits im Ruhestand sind, verfügen über Zeit und langjährige berufliche Kenntnisse, um mit Rat und Tat jungen Zuwanderern zur Seite zu stehen. Durch die langjährige Berufspraxis können Sie bei der Berufsauswahl helfen und besonders gut einschätzen, ob die Berufswünsche der Junior-Paten mit den Fähigkeiten übereinstimmen. Sollte dies nicht der Fall sein, können sie bei der Neu-Orientierung unterstützend tätig sein.

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

an die Handwerkskammer und die Handelskammer heranzutreten mit dem Ziel, Projekte nach dem Modell der JobPaten auch in den anderen Bezirken anzubieten. Gezielt sollen Handwerksmeister, Unternehmer oder andere befähigte Personen im Ruhestand als Senior-Paten angesprochen werden.

 

5. Fördern statt ausgrenzen: die Hälfte der Grundschulen zu IR-Schulen entwickeln

Der schwarz-grüne Senat hat die Notwendigkeit der Integration der Sprachheil- und Förderschulen in das allgemeinbildende Schulsystem zwar erkannt, aber dennoch auf die lange Bank geschoben. Es soll langfristig erfolgen, jedoch nicht in dieser Legislaturperiode. Damit zögert der Senat wichtige Schritte hinsichtlich der Integration von förderbedürftigen Kindern unnötig hinaus.

Durch integrative Förderung können Kinder, die von schulischer Aussonderung bedroht sind, in der Grundschule stabilisiert werden, durch ergänzende gezielte Förderung können Lernprobleme vor ihrer Verfestigung bearbeitet werden. Auch Verzögerungen in der emotionalen und sozialen Entwicklung der Kinder, die als problematisches Sozialverhalten oft auch den Weg zum Lernerfolg verstellen, lassen sich durch integrative und ergänzende Förderinterventionen besser in der Grundschule bearbeiten.

 

Die Bürgerschaft möge daher beschließen:

Der Senat wird ersucht:

1. Kinder der Sprachheil- und Förderschulen möglichst weitgehend in die Grundschule zu integrieren sowie sonderpädagogische Kompetenzen an die Grundschule zu holen. In den nächsten zwei Jahren wird das Angebot der Integrativen Regelklassen auf die Hälfte der Grundschulen ausgeweitet. Dabei werden Grundschulen mit dem Kess Index 1 und 2 besonders berücksichtigt.

2. im gleichen Zuge die bestehenden Sprachheil- und Förderschulen auslaufen zu lassen und die dadurch freiwerdenden Ressourcen für die zusätzlichen Integrativen Regelklassen an den Grundschulen zu Deckung zu nutzen sowie die dann überzähligen Ressourcen den REBUS-Beratungsstellen zuzuschlagen;

 

7. Einführung des Büchergelds: unsozial und unnötig

Der Senat hat trotz heftiger Kritik der Öffentlichkeit und der Opposition beschlossen, die Lernmittelfreiheit in den Hamburger Schulen abzuschaffen. Seit dem Schuljahr 2005/2006 müssen Eltern die Schulbücher ihrer Kinder selbst kaufen. Die finanzielle Belastung der Eltern ist beachtlich. Trotz anders lautender Wahlkampfversprechen hat Schulsenatorin Goetsch das Büchergeld unverändert bestehen lassen.

Die Abschaffung der Lernmittelfreiheit ist unsozial und trägt die soziale Spaltung direkt ins Klassenzimmer. Obwohl die PISA-Studien wiederholt den engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und erfolgreichen Schulabschlüssen belegt, wird der soziale Druck auf die Schülerinnen und Schüler durch die Einführung des Büchergelds noch verschärft.

Die Bürgerschaft möge daher beschließen:

1. Die Lernmittelfreiheit an Hamburger Schulen wird zum Schuljahr 2007/2008 wieder eingeführt.

2. Das Hamburgische Schulgesetz wird wie folgt geändert:

§ 30 erhält folgende Fassung: „Schülerinnen und Schüler staatlicher Schulen erhalten Bücher und Druckschriften, die im Unterricht und bei der häuslichen Vor- und Nachbereitung des Unterrichts verwendet werden (Schulbücher), Gegenstände, die ausschließlich im Unterricht eingesetzt werden und in der Schule verbleiben, sowie zur Unfallverhütung vorgesehene Schutzkleidung. Lernmittel von geringem Wert werden nicht gewährt."

3. Die Kosten betragen ca. 7 Mio. Euro. Die Deckung erfolgt aus den für die Planung der Primarschule veranschlagten Haushaltsmitteln.