Zum Hauptinhalt springen

Menschliche Metropole: Neue Hamburger Offensive gegen Rechts

Dienstag, 24.02.2009

Die Entwicklung des Rechtsextremismus auch in Hamburg zwingt alle Demokratinnen und Demokraten zu neuen Anstrengungen. Die vorliegenden Erkenntnisse belegen:

• Die Hamburger NPD wächst, ihr Mitgliederbestand hat sich nach Aussagen des Verfassungsschutzes um 40 Prozent gesteigert.

• Die rechte Gewalt in Hamburg hat sich verdoppelt. Die rechtsextremistischen Gewaltdelikte haben nach Senatsangaben auf eine SPD-Anfrage von 22 im Jahre 2007 auf 45 im Jahre 2008 zugenommen. Auch insgesamt ist eine deutliche Zunahme rechtsextremistischer Straftaten festzustellen – um 11,1 Prozent in 2008 gegenüber dem Vorjahr.

• Mit dem unsäglichen Trio der Herren Rieger, Wulff und Worch prägen Hamburger Köpfe die bundesweite rechte Szene – das hat nicht zuletzt die Diskussion um den schändlichen Anschlag auf den Passauer Polizeidirektor gezeigt.

Nach der sog. „Wortergreifungsstrategie“ schrecken mittlerweile viele Rechtsextreme auch vor aggressiver Gewaltausübung nicht zurück. Das Auftreten der sog. „autonomen Nationalisten“ am 1. Mai 2008 in Barmbek, das leider in Art und Umfang auch die Hamburger Sicherheitsbehörden überrascht hat, ist allen noch in schrecklicher Erinnerung.

Nachdem die CDU-Alleinregierung die Gefahr von Rechts jahrelang verharmlost hat, hat die schwarz-grüne Koalition vereinbart, bei der Justizbehörde eine Arbeitsstelle einzurichten, welche unter anderem mit der Aufgabe „Aufklärung über und Maßnahmen gegen Rassismus einschließlich der Kommission gegen Rechtsextremismus“ betraut werden soll. Eine Umsetzung dieser Ankündigung steht bisher aus. Auch die bei der Sozialbehörde angesiedelte, präventiv ausgerichtete und von den Sozialdemokraten lange geforderte Hamburger Beteiligung am Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus mit mobilen Beratungsteams hat bisher ein Schattendasein gefristet. Seit 1. Januar 2008 nimmt Hamburg am Bundesprogramm „kompetent. für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“ teil – und das ohne nennenswerte Öffentlichkeitsarbeit. Wenig überzeugend war auch der halbherzige Umgang von Schwarz-Grün mit den bürgerschaftlichen Initiativen zu einem NPD-Verbot (Drs. 19/91 und 19/150).

 

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:

„Der Senat wird aufgefordert, folgende Maßnahmen zu ergreifen und der Bürgerschaft bis Anfang September 2009 Bericht zu erstatten:

1. Der Hamburger Anteil am Bundesprogramm „kompetent. für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“ wird nach Berliner Vorbild zu einem echten umfassenden Landesprogramm gegen Rechtsextremismus ausgebaut und dabei durch eigene Maßnahmen – insbesondere eine breit angelegte Öffentlichkeitskampagne –ergänzt. Dabei soll die aktuelle personelle Ausstattung der Koordination der Mobilen Beratungsteams mit einer Vollzeitstelle mindestens erhalten und bei Bedarf aufgestockt werden können. Die konkrete Ausgestaltung wird gemeinsam mit den Beteiligten der gegenwärtigen Netzwerkstruktur vorgenommen.

Zu diesem Zweck stockt der Senat seinen Finanzierungsanteil auf die Höhe derjenigen Beträge auf, welche der Bund seinerseits für die Umsetzung des Programms in Hamburg aufwendet, das heißt auf 140.000 Euro im Jahr 2009 und 168.000 Euro im Jahr 2010. Diese Mittel werden im Einzelplan 4 im Titel 4440.684.12 [Förderung der Jugendarbeit, der Jugendberatung und des erzieherischen Jugendschutzes] vorgesehen.

Die Mehrkosten in Höhe von 112.000 Euro im Jahr 2009 werden gedeckt, indem aus dem Einzelplan 8.1., Kapitel Landesamt für Verfassungsschutz, Reste in entsprechender Höhe aus dem Jahr 2008 auf das Haushaltsjahr 2009 zur Verwendung im Einzelplan 4 übertragen werden.

Die Mehrkosten in Höhe von 136.000 Euro im Jahr 2010 werden gedeckt, indem aus dem Haushaltsjahr 2009 ein entsprechender Betrag an Resten aus dem (gesamten) Einzelplan 8.1. auf das Haushaltsjahr 2010 zur Verwendung im Einzelplan 4 übertragen werden.

Beim Landesamt für Verfassungsschutz sind aus dem Haushaltsjahr 2006 rund 145.000 Euro und aus dem Haushaltsjahr 2007 sogar doppelt so viel (297.000 Euro) an Resten auf das nächste Jahr übertragen worden, so dass in den Haushaltsjahren 2009/2010 zunächst eine Finanzierung aus dem Budget des LfV bzw. der Innenbehörde möglich sein sollte.

2. Die Beobachtung der rechten Szene in Hamburg insbesondere durch das Landesamt für Verfassungsschutz soll weiter intensiviert werden – insbesondere im Hinblick auf das Erstarken der sog. „Autonomen Nationalisten“ und ggf. bestehende Zusammenhänge zu NPD-Strukturen. Auch Vernetzungen zwischen ultra-rechten Burschenschaften und rechtsextremistischen Parteien und Strukturen sind verstärkt in den Fokus zu rücken. Hierzu wird der Stellenplan des Landesamtes für Verfassungsschutz um eine weitere Stelle für Auswertung (A11) erweitert, was Mehrausgaben in Höhe von jährlich 54.900 Euro bedeutet.

Zur Deckung der Mehrkosten wird auf die vom Senat beantragte Schaffung einer neuen Stelle A 11 ´Führungsassistent` im Senatorenbüro der Innenbehörde verzichtet.

3. Der Senat soll unter Nutzung der unter Ziffer 2 gewonnenen zusätzlichen Erkenntnisse weiterhin alle Anstrengungen unternehmen, für ein neues NPD-Verbotsverfahren Material aus öffentlichen und nicht-öffentlichen Quellen zu sammeln und auf Verbotsrelevanz vorprüfen. Zusätzlich sind – unterhalb der Verbotsschwelle – sämtliche laufenden Prüfungen und Bemühungen, im Rahmen einer Novellierung des Parteiengesetzes bzw. des Art 21 GG die Parteienfinanzierung der NPD und anderer extremistischer bzw. undemokratischer Parteien einzuschränken bzw. mit Vorbehalten zu versehen, zu unterstützen. Ggf. möge der Senat in diese Richtung auch selbst initiativ werden.

4. Es werden alle Möglichkeiten der Finanzbehörden genutzt, um zu prüfen, ob die Gemeinnützigkeit rechter Vereine im Einzelfall aberkannt werden kann. Spenden an rechte Vereine dürfen nicht auch noch steuerlich belohnt werden.

5. Propagandadelikte nach §§ 86, 86a Strafgesetzbuch sind als Einstiegsstraftaten in den Rechtsextremismus ernst zu nehmen, die Möglichkeiten erkennungsdienstlicher Behandlungen sowie von DNA-Untersuchungen daher konsequent zu nutzen.

 

6. Um die frühzeitige Intervention zu gewährleisten, wird geprüft, wie die staatliche Reaktion gegenüber Jugendlichen, die erstmals wegen einer rechtsextremistischen Straftat auffallen, intensiviert werden kann, etwa durch Präventionsangebote in Zusammenarbeit von Jugendhilfe, Polizei und Staatsanwaltschaft.“