Zum Hauptinhalt springen

Mobilitätsdaten von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen erfassen und ein Routingtool für barrierefreie Wegstrecken entwickeln

Mittwoch, 27.09.2023

Hamburg ist verpflichtet, öffentliche Räume barrierefrei zu gestalten. Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Bundesrepublik Deutschland (2009) sowie den Behindertengleichstellungsgesetzen des Bundes und des Landes (BGG 2002 und HmbBGG 2019) wurde der Rechtsrahmen für eine stetige Verwirklichung von Barrierefreiheit geschaffen.

Nahezu jeder Mensch ist im Laufe seines Lebens von Mobilitätseinschränkungen betroffen. Dabei variieren das zeitliche Ausmaß und der Grad der Einschränkung zwar stark, über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet profitieren jedoch alle Menschen von einer barrierefreien Umgebung. Über Jahrzehnte wurden in der Stadt- und Verkehrsplanung vor allem die Wege zu Arbeits- und Ausbildungsstätten optimiert. So ist ein vorwiegend radiales Verkehrsnetz entstanden, das die Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen nicht erfüllt. Ihre Ziele liegen überwiegend im Nahbereich und sind häufig nicht barrierefrei zu erreichen. Das führt zu gravierenden Mobilitätseinschränkungen und verminderter Teilhabe in unserer Gesellschaft.

Dieses Ungleichgewicht in der Planung schlägt sich auch in der Verfügbarkeit von Daten und damit in der Sichtbarkeit der Bedürfnisse verschiedener Bevölkerungsgruppen nieder. Ein erster Schritt, um die Datenlage im Mobilitätsbereich zu verbessern und diese für neue Anwendungen nutzen zu können, wurde im Antrag der Regierungsfraktionen „Digitaler Schub für Hamburg: Mobilitätswende mit Open Data stärken“ (Drs. 22/12322) unternommen. Nun gilt es, konkrete Projekte zur Umsetzung zu bringen.

Während eine umfangreiche Datenbasis zum Kfz-Verkehr vorliegt, die differenzierte Modellierungen ermöglicht, gibt es zum Fußverkehr bisher nur wenige händische Zählungen. Gesonderte Mobilitätsdaten für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen liegen gar nicht vor. Dabei handelt es sich beim Fußverkehr um Basismobilität. Jeder Weg zum ÖPNV, zum Rad oder zum Kfz beginnt und endet zu Fuß. Für viele Menschen handelt es sich außerdem um die einzige Art der Mobilität, die sie selbstständig und selbstbestimmt durchführen können.

Im Rahmen der Ausarbeitung eines digitalen Zwillings für die Freie und Hansestadt Hamburg hat das CityScienceLab der HafenCity University Hamburg ein Pilotverfahren erprobt, in dem gemeinsam mit der Allianz pflegender Angehöriger (AllipA) tägliche Wege und Barrieren im Wohnumfeld aufgenommen wurden. Ziel war es, gemeinsam mit Betroffenen Daten zu sammeln, um zu erkennen, ob und wie diese Wege verlaufen und auf welche Barrieren die Betroffenen stoßen. Im Laufe des Projekts wurde festgestellt, dass so ein blinder Fleck im städtischen Datenhaushalt abgedeckt werden könnte. Es werden zwar bereits viele Hinweise auf vorhandene oder nicht vorhandene Barrierefreiheit online aufbereitet – so etwa defekte Aufzüge in Schnellbahnstationen in der hvv-App inklusive Alternativvorschläge für den Routenverlauf oder aber auf der städtischen Webseite „Hamburg barrierefrei“ –, doch immer noch stehen mobilitätseingeschränkten Menschen zu viele kleine und große Barrieren im Weg, die nicht systematisch erfasst werden. Beispielhaft genannt seien zu hohe Bordsteine, fehlende Querungsmöglichkeiten, zu große Lücken zwischen Bahnsteig und Fahrzeug an einzelnen Haltestellen der U-Bahnen oder fehlende Rampen.

Aufbauend auf dem abgeschlossenen Projekt des CityScienceLab sollte durch die Verwaltung die Weiterentwicklung des Tools geprüft werden. Mit der Weiterentwicklung des Tools erhalten Realisierungsträger mittelfristig ein wertvolles Planungsinstrument, welches Daten bereitstellt, die bisher nicht verfügbar sind. Langfristig bestünde die Möglichkeit, das Tool für ein individualisiertes Routing für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zu nutzen. Ein solches Tool würde nicht nur pflegenden Angehörigen und Menschen mit Behinderungen zugutekommen, sondern auch Eltern mit Kleinkindern und älteren Personen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

 

1. zu prüfen, ob und wie die technischen Spezifikationen der vom CityScienceLab im Rahmen der Ausarbeitung des digitalen Zwillings der Stadt Hamburg entwickelten Software in das Geoportal Hamburg und in den FHH-Atlas integriert werden können, um somit die vorhandenen Routingoptionen zu erweitern. Dabei ist insbesondere zu prüfen, welche Schritte notwendig sind, um die Software als Tool für die fachliche und beteiligungsorientierte Verkehrsplanung einzusetzen;

 

2. in diesem Zusammenhang zu prüfen, wie die Mobilitätsdaten der Betroffenen über die Urban Data Platform Hamburg erfasst und aktuelle Daten vorgehalten werden können, etwa als individualisierbares Routingtool für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen im öffentlichen Raum und als Baustein in der hvv switch-App und dabei insbesondere zu prüfen, ob bestehende interne oder externe Dienste wie beispielsweise der Meldemichel oder die Wheelmap integriert werden können;

 

3. zu prüfen, ob ein Prototyp für einen erweiterten Kreis von Nutzenden (Menschen mit Behinderungen und anderen Mobilitätseinschränkungen) entwickelt werden kann, der allen eine barrierefreie Eingabe ermöglicht. Es könnte sich um eine räumlich (beispielsweise auf einen Bezirk oder einen oder mehrere Stadtteile) oder inhaltlich (auf eine oder mehrere Arten von Mobilitätseinschränkungen) begrenzte Anwendung handeln;

 

4. der Bürgerschaft im dritten Quartal 2024 über die Ergebnisse zu berichten.

 

sowie
  • Christa Möller-Metzger
  • Filiz Demirel
  • Mareike Engels
  • Linus Görg
  • Michael Gwosdz
  • Dr. Adrian Hector
  • Britta Herrmann
  • Dr. Gudrun Schittek
  • Yusuf Uzundag
  • Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion