Zum Hauptinhalt springen

Neuordnung Elbphilharmonie: Die Zeit ist reif für eine Entscheidung!

Mittwoch, 19.06.2013

zu Drs. 208340

Die Bürgerschaft steht vor einer wichtigen Entscheidung. Erneut müssen für das parteiübergreifend gestartete Projekt Elbphilharmonie in dreistelligem Millionenumfang Steuermittel nachbewilligt werden, um das Bauvorhaben nach etlichen Extrawünschen, Planungsfehlern, Streitigkeiten und Verzögerungen endlich zum Abschluss zu bringen. Dieses Projekt, so begeisternd die Grundidee auch ist, hat das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Planungs- und Baukompetenz dieser Stadt schwer beschädigt. Zwei Untersuchungsausschüsse haben sich mit den Ursachen der Kostenexplosionen und den Geburtsfehlern des Projekts beschäftigt. Der Senat hat zwischenzeitlich mit der Drucksache 20/6208 „Kostenstabiles Bauen – Fortentwicklung des öffentlichen Bauwesens“ erste Konsequenzen gezogen. Wir alle tragen Verantwortung dafür, dass sich so ein Desaster wie bei der Elbphilharmonie nicht wiederholt.

Die zusätzliche Belastung für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler empfinden viele zu Recht als Zumutung – gerade in Zeiten der Schuldenbremse. Umso wichtiger ist, dass alles unternommen wird, um mit absoluter Transparenz wieder für neue Akzeptanz für dieses Projekt zu werben. Der Senat hat dafür wichtige Schritte getan. Das Vertragsangebot von Hochtief aus dem Dezember wurde kurzfristig ins Internet gestellt, die alten Verträge – noch aus den Zeiten der Vorgänger-Senate – ebenfalls. Auch die neuen Verträge nebst Anlagen wurden sofort nach Fertigstellung öffentlich gemacht und ins Internet gestellt. Jede Hamburgerin und jeder Hamburger konnte sich so ein Bild von der angestrebten Neuordnung machen. Der Senat hat bei diesem, von der Öffentlichkeit zu recht kritisch begleiteten Projekt die Anforderungen des neuen Transparenzgesetzes mehr als erfüllt. Mit dieser Transparenz muss es nun auch baubegleitend weitergehen.

Die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft konnten sich seit Dezember 2012 ein eigenes Bild von der angestrebten Neuordnung machen. Der Erste Bürgermeister hat die Fraktionsvorsitzenden unmittelbar über das – erste überhaupt annehmbare – Angebot von Hochtief informiert und die Bürgerschaft wurde hierüber unterrichtet. Auch der Vertragsabschluss Ende Februar 2013 führte zu einer direkten Information der Fraktionen durch den Ersten Bürgermeister. Ergänzend wurde den Fraktionen angeboten, dass der Erste Bürgermeister den Fraktionen in ihren jeweiligen Sitzungen Auskunft darüber gibt – ein Angebot, auf das bisher keine Oppositionsfraktion eingegangen ist.

Parallel zur Drucksache 20/7738 Realisierung des Projektes / „Neuordnungsvereinbarung“, die nunmehr Gegenstand der Bürgerschaftsentscheidung ist, hat der Senat die von der Opposition beantragte Aktenvorlage veranlasst und diese darüber hinaus freiwillig um zahlreiche entscheidungsrelevante Dokumente ergänzt. Anders als noch beim Nachtrag 4 hat die Bürgerschaft damit eine umfassende und transparente Entscheidungsgrundlage für ihre schwierige Abwägung der Argumente.

Nicht in Abrede zu stellen war dabei die große Herausforderung für die Bürgerschaft, unter einem gewissen Zeitdruck eine Entscheidung in der Sache herbei zu führen. Auch wenn es zwischen den Fraktionen kein Einvernehmen zur Frage gab, ob der 30. Juni 2013 als Entscheidungsfrist für die Bürgerschaft zwingend ist, konnte ein Konsens darüber erzielt werden, drei Sachverständigenanhörungen zur Neuordnung durchzuführen. Der große Sachverstand der Experten hat für die Abgeordneten einen wichtigen Beitrag und viel Erkenntnisgewinn für die Entscheidungsfindung gebracht. Auf Anregung der Fraktion DIE LINKEN, der alle anderen Fraktionen gefolgt sind, wurde die Anhörung mit einer externen Begutachtung verknüpft. Erstmals ist damit bei einer parlamentarischen Entscheidung zur Elbphilharmonie so breit externer Expertenrat eingeholt worden und in den parlamentarischen Entscheidungsprozess eingeflossen – auch das wird zur Akzeptanz der zu treffenden Entscheidung beitragen. Diese Detailhinweise der Gutachter gilt es nun auch, in die weiteren Erörterungen einzubeziehen und soweit möglich in den Realisierungsprozess einfließen zu lassen.

Bei allen Unterschieden in den wertvollen – und im Rahmen der weiteren Projekt-realisierung durchaus zu berücksichtigenden – Gutachten im Detail, eint doch die vier Gutachter, darunter namhafte Experten für Bauprojekte in dieser Größenordnung, eine wesentliche Empfehlung: Die Neuordnung mit Hochtief ist der Kündigungsalternative eindeutig vorzuziehen, und die Fertigstellung der Elbphilharmonie in Eigenregie ist bei Abwägung aller Gesichtspunkte zu risikoreich. Die Eindeutigkeit der Empfehlung der unabhängigen Experten zu Gunsten der Neuordnungsvereinbarung wird auch nicht dadurch relativiert, dass einzelne, insbesondere internen Sachverständige auch das Kündigungsszenario als Möglichkeit dargestellt haben.

Schlussendlich ist die Bürgerschaft – sind die Fraktionen – nun gefordert, eine Entscheidung zu treffen. Dabei geht es auch um eine politische Risikoabschätzung. Für die SPD-Fraktion fällt diese ebenso eindeutig aus, wie die der Gutachter. Ein Blick auf das „Planungschaos“ am, in öffentlicher Eigenregie gesteuerten Berliner Flughafen untermauert, dass es mit Blick auf die jetzt anstehenden Aufgaben auf der Elbphilharmonie-Baustelle besser ist, mit dem zentralen Kompetenz- und Wissensträger bei diesem Projekt, dem Bauträger Hochtief, zu Ende zu bauen. Die klare Risikoüberwälzung auf Hochtief, die Beseitigung der Konstruktionsfehler des Projekts und die Auflösung konfliktträchtiger Schnittstellen sind alles klare Argumente für die Neuordnungsvereinbarung.

Die deutlichen Ausführungen des zuständigen HdM-Architekten in der Anhörung am 21. Mai 2013, dass sich die neue Formation auch in der Praxis konstruktiv und vertrauensvoll beweist, bestärkt die SPD-Fraktion darin, dieser neuen Konstruktion

– trotz negativer Erfahrungen mit Hochtief in der Vergangenheit – jetzt auch parlamentarisch grünes Licht zu geben. Eine weitere Hängepartie ist nicht vertretbar – es muss jetzt weitergehen auf der Baustelle, so auch der dringende Appell an alle Bürgerschaftsabgeordneten durch den Freundeskreis Elbphilharmonie, der auch Sprachrohr für die privaten Unterstützer ist.

 

Und auf das private Engagement wird es auch ankommen in den nächsten Monaten und Jahren. Gerade, wenn nun erneut öffentliche Gelder investiert werden müssen, ist es wichtig, in Zukunft wieder neue Chancen für das private Engagement bei der Elbphilharmonie für Spender, Sponsoren und Unterstützer zu ermöglichen. Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Dem Senat ist es hoch anzurechnen, dass er haushalterisch Vorsorge für die anstehende Entscheidung getroffen hat und z.B. kein Haus der Jugend, keine Kultureinrichtung oder andere Einrichtungen geschlossen werden müssen, weil die Bürgerschaft mit diesem Zuschuss den Weg frei macht, die Elbphilharmonie in dieser Weise fertigzustellen. Die SPD-Fraktion bekräftigt vor diesem Hintergrund auch das Versprechen aus dem SPD-Regierungsprogramm „Wir werden dafür Sorge tragen, dass Bau und Betrieb der Elbphilharmonie die gewachsene Kulturförderung nicht beeinträchtigen.“

Auch wenn die Neuordnung natürlich nicht völlig frei ist von Risiken, so ist sie doch der realistische, konkrete, sofort umsetzbare und richtige Weg. Eine solche sofort und konkret umsetzbare Alternative konnte von den Oppositionsfraktionen nicht aufgezeigt werden. Und auch das von der ReGe ausgearbeitete Kündigungsszenario wäre nicht kurzfristig umsetzbar, zudem mit enormen Prozessrisiken belastet und würde den Weiterbau für lange Zeit verschieben.

Vor diesem Hintergrund muss die Bürgerschaft nun entscheiden und alle Fraktionen – gerade jene, die in Zeiten von Vorgänger-Senaten bereits Verantwortung für das Projekt trugen – sind aufgefordert, konstruktiv und verantwortlich zu votieren.

Ziel muss sein, sich wieder stärker auf die Grundmotivation für die Elbphilharmonie zu besinnen – wie im Arbeitsprogramm des Senats auch benannt: man werde „darauf achten, dass die Elbphilharmonie ein Konzerthaus für alle Hamburgerinnen und Hamburger und ihre Gäste aus aller Welt wird. Jedes Hamburger Kind soll einmal ein Konzert in der Elbphilharmonie besucht haben.“

 

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:

Der Senat wird aufgefordert,

1. die Detailhinweise der Gutachter in die weiteren Erörterungen mit den Projektbeteiligten mit einzubeziehen und zu prüfen, ob und wie sie in den weiteren Realisierungsprozess mit einfließen können.

2. nach Wiederaufnahme der Bauarbeiten die Bemühungen um private Spender und Unterstützer – insbesondere für den späteren Betrieb der Elbphilharmonie – in geeigneter Weise zu intensivieren, um in relevanter Weise auch weiteres privates Kapital für die Elbphilharmonie zu gewinnen.

3. an der von der Bürgerschaft am 25.10.2005 beschlossenen halbjährlichen Berichterstattung (Drs. 18/3017) über den Projektfortschritt gegenüber der Bürgerschaft festzuhalten, um eine transparente Information von Parlament und Öffentlichkeit auch baubegleitend sicherzustellen. Der erste Sachstandsbericht ist der Bürgerschaft Ende Januar 2014 zur Kenntnis zu geben.