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Nutzung des zentralen Schülerregisters korrigieren – Schulzugang für alle Kinder sicherstellen

Freitag, 03.04.2009

Die Schulpflicht gilt in Hamburg für jedes Kind, unabhängig von seinem Aufenthaltsstatus. Auch Kinder ohne legalen Aufenthaltsstatus sind schulpflichtig. Im Rahmen der Aufarbeitung des tragischen Todes der kleinen Jessica hat der CDU-Senat im Juni 2006 im Wege einer Rechtsverordnung ein zentrales Schülerregister eingeführt, das ab dem Schuljahresbeginn 2006/2007 alle schulpflichtigen Kinder und alle Kinder, die eine Schule in Hamburg besuchen, erfasst (siehe: Drs. 18/2926 „Hamburg schützt seine Kinder“). Die Einhaltung der Schulpflicht und damit die Sicherung des Kindeswohles sollten auf diesem Wege befördert werden. Jedes in Hamburg gemeldete schulpflichtige Kind sollte erkannt und auf den Schulbesuch vorbereitet werden. Der gezielte Datenabgleich zwischen dem zentralen Schülerregister und Daten anderer Behörden mit dem Ziel, sicher zu stellen, dass alle Hamburger Kinder tatsächlich eine Schule besuchen bzw. dort rechtzeitig angemeldet und zur Untersuchung der 4 1/2jährigen-Untersuchung vorgestellt werden, ist richtig und notwendig. Intention des bürgerschaftlichen Sonderausschusses „Vernachlässigte Kinder“ war jedoch nicht, die Suche nach Kindern ohne legalen Aufenthaltsstatus technisch zu optimieren.

Geschätzt wird, dass ca. 100 Kinder ohne legalen Aufenthaltsstatus in Hamburg eine Schule besuchen. Dem Schulpersonal drohen dienstrechtliche Konsequenzen, Eltern und Kinder leben in ständiger Angst, entdeckt zu werden. Es ist anzunehmen, dass viele Eltern ihre Kinder aus Angst vor Übermittlung ihrer Daten gar nicht erst zur Schule anmelden. Diese schulpflichtigen Kinder sind oft über Jahre von Bildungs- und Sozialisierungsprozessen ausgeschlossen. Sie sind nicht selbst für ihre Lebenssituation verantwortlich, sondern tragen – manchmal ein Leben lang – an den Folgen der Entscheidung ihrer Eltern. Andererseits besteht nach § 87 Aufenthaltsgesetz für alle öffentlichen Stellen der Freien und Hansestadt Hamburg die Pflicht, unverzüglich die Ausländerbehörde zu verständigen, wenn sie Kenntnis vom illegalen Aufenthalt bzw. dem Verstoß gegen räumliche Beschränkungen von Personen erlangen.

Bisher hat lediglich ein Fall einer Schülerin ohne Aufenthaltsstatus Eingabenausschuss und Härtefallkommission erreicht. Werden Schulkinder nach einem Datenabgleich erfasst, ist es Aufgabe von Parlament und Behörden, im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, welche Bleibeperspektive den Betroffenen eröffnet werden kann. In aller Regel ist den Kindern zu ermöglichen, die Schule abzuschließen.

Auf der vierten Jahrestagung „Illegalität“ Anfang März 2008 in der Katholischen Akademie in Berlin erklärte Reinhard Grindel (Mitglied des Innenausschusses für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion), dass Kinder nicht für den illegalen Status ihrer Eltern verantwortlich gemacht werden dürfen und dass er Kinder lieber in der Schule als auf der Straße sehe. Eine Neuregelung müsse dazu führen, dass Eltern ohne regulären Aufenthaltsstatus nicht aus Furcht vor Aufdeckung ihre Kinder zu Hause behalten. Dies sei Beschlusslage der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), stellte gegenüber einem Nachrichtenmagazin dar, dass Bildung ein Menschenrecht sei und dies auch für Kinder von Eltern gelte, die ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland leben. Unsicherheiten müssten beseitigt und pragmatische Lösungen für die betroffenen Kinder erarbeitet werden, so Maria Böhmer.

Bis zu einer entsprechenden Neuregelung des § 87 AufenthaltsG sollte in Hamburg der gezielte Datenabgleich über das zentrale Schülerregister zur Auffindung von Kindern ohne legalen Aufenthaltsstatus, die bereits die Schule besuchen, unterbleiben. Zudem soll wie in Nordrhein-Westfalen davon ausgegangen werden, dass Schulleitungen und Lehrkräfte keine Mitteilungspflicht gegenüber der Ausländerbehörde trifft, wenn sie bei Gelegenheit der Wahrnehmung ihrer lehrenden und erzieherischen Aufgaben Kenntnis über den Aufenthaltsstatus von Schülerinnen oder Schülern oder deren Eltern erhalten (vgl. Hinweis des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen an die Bezirksregierungen Arnsberg, Düsseldorf, Detmold, Köln und Münster vom 27. März 2008).

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. der Bürgerschaft den seit Herbst 2008 ausstehenden Bericht über die Erfahrungen mit dem Einsatz des zentralen Schülerregisters (siehe Drs. 18/4789) zügig vorzulegen,

2. den gezielten Datenabgleich über das zentrale Schülerregister zur Auffindung von Kindern ohne legalen Aufenthaltsstatus, die bereits die Schule besuchen, nicht vorzunehmen,

3. nach dem Vorbild der entsprechenden Regelung in Nordrhein-Westfalen die „Verordnung über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Schulwesen“ (Schul-Datenschutzverordnung) so zu ändern, dass die Erhebung von Daten zum aufenthaltsrechtlichen Status von Schülerinnen und Schülern nicht mehr vorgesehen wird, und demzufolge die Schulen darauf hinzuweisen, dass erstens entsprechende Meldebescheinigungen und Passdokumente von den Eltern nicht mehr gefordert werden dürfen, auch nicht auf Ersuchen der Ausländerbehörden,

4. sich im Rahmen seiner Möglichkeiten auf Bundesebene, beispielsweise in Form einer Bundesratsinitiative, dafür einzusetzen, die gesetzlichen Regelungen so umzugestalten, dass Kinder ohne legalen Aufenthaltsstatus aufgrund der Übermittlungspflicht der Schulen und anderer Bildungseinrichtungen nicht am Schulbesuch gehindert werden können.