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Parlamentarische Aufarbeitung nach dem G20-Gipfel – Einsetzung eines Sonderausschusses „Gewalttätige Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel in Hamburg“ – Dank an alle Einsatzkräfte – Härtefallfonds für Entschädigungen sofort verfügbar machen

Mittwoch, 12.07.2017

Das mit Drs. 21/9642 beantragte Berichtsersuchen zu einer „ehrlichen“ Bilanz greift entschieden zu kurz: Notwendig ist eine umfassende, parlamentarische Aufarbeitung der Geschehnisse rund um den G20-Gipfel in Hamburg. Die Stadt hat in den letzten Tagen im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel vom 6.7.2017 bis zum 9.7.2017 eine unglaubliche Welle der Gewalt erleben und ertragen müssen. Viele Hamburgerinnen und Hamburger hatten unter den massiven Ausschreitungen in bedrückender Weise zu leiden. Die Gewalttaten und die Zerstörungswut, die in den vergangenen Tagen für eine Verwüstung ganzer Straßenzüge gesorgt haben, waren von einer bisher nicht gekannten Wahllosigkeit und haben unsere Stadt, die Hamburgerinnen und Hamburger sowie die antragstellenden Bürgerschaftsfraktionen zutiefst erschüttert. Es gab mehrere hundert Verletzte, allein über 400 bei den Einsatzkräften; zu den Demonstrationsteilnehmenden und Unbeteiligten liegen bisher keine genauen Zahlen vor. Es wurden private PKW in Brand gesetzt, Gehwege und Straßen aufgerissen, Ladengeschäfte wurden zerstört und geplündert, Fahrräder und Möbel auf offener Straße als Barrikaden verbrannt. Für solche Gewalttaten gibt es keinerlei Rechtfertigung. Neben der Ermittlungsarbeit durch die Strafverfolgungsbehörden ist auch eine umfassende politische Aufarbeitung nötig, um die richtigen Lehren zu ziehen, damit sich so etwas in Hamburg nicht wiederholt.

Bereits im Vorfeld des G20-Gipfels hatten sich gewaltbereite Linksextremisten angekündigt. Den Sicherheitsbehörden in Hamburg und im Bund war bekannt, dass europaweit in der linksextremistischen Szene zum Widerstand gegen G20 mobilisiert wurde und es eine Vernetzung mit Gleichgesinnten in verschiedenen Bundesländern gegeben hat. Diese Erkenntnisse wurden in die Planungen und die Ausarbeitung des Sicherheitskonzepts für den G20-Gipfel aufgenommen. Aus diesem Grund wurde der größte Polizeieinsatz der Nachkriegsgeschichte Hamburgs vorbereitet, mehr als 20.000 Einsatzkräfte waren während der Gipfeltage in der Stadt. Es waren nahezu alle in Deutschland verfügbaren Polizistinnen und Polizisten in diesen Einsatz einbezogen. Das Sicherheitskonzept der Stadt Hamburg wurde auch mit den Sicherheitsbehörden des Bundes und mit der Bundesregierung abgestimmt; diese hat Hamburg für die Maßnahmen vorher und nachher ausdrücklich gelobt. Die Polizei hat mit einem an die Grenze der Belastbarkeit gehenden Einsatz vieles verhindern können, deswegen sollen angesichts der Ereignisse auch Möglichkeiten und Grenzen des mit der Bundesebene abgestimmten Sicherheitskonzeptes bearbeitet werden.

Es muss aufgearbeitet werden, wie es zu dieser Eskalation der Gewalt kommen konnte, welche Tat- und Täterstrukturen damit einhergehen und wie sich die Polizei in ihrer Reaktion darauf eingestellt hat. Inwieweit waren Autonome bzw. Extremisten aus dem Ausland, aus Deutschland bzw. Hamburg beteiligt? Inwieweit waren (unpolitische) Krawall-Touristen aus Hamburg und anderswo beteiligt? Gab es weitere Tätergruppen? Inwieweit haben Gaffer eine Rolle gespielt und die Polizeieinsätze behindert? Welche Wechselbeziehungen, Ursachen- und Unterstützungszusammenhänge bestehen dabei jeweils? Inwieweit wurde und wird Gewalt verharmlost und damit begünstigt? Welche polizeilichen Maßnahmen haben wie gegriffen? Was wurde und kann getan werden, um derartige Eskalationen zu verhindern?

Nur mit einer ganzheitlichen, viele Politikbereiche umfassenden, auch wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigenden Betrachtung der Geschehnisse können die richtigen Lehren gezogen werden. Die angelaufenen Ermittlungen rund um das Tatgeschehen im Rahmen von G20 können eine erste Grundlage sein. Klar ist: Diese Tage haben die Stadt verändert, viele in der Stadt werden sich viele Fragen stellen müssen – auch zum Verhältnis zur Gewalt. Der Sonderausschuss soll durch eine umfassende parlamentarische Aufarbeitung einen wichtigen Beitrag leisten, die Spirale der Gewalt zu verstehen und zu durchbrechen sowie Konsequenzen aus den Ausschreitungen zu formulieren.

Hamburger Bürgerinnen und Bürger sind Opfer zahlreicher schwerwiegender Straftaten geworden. Ihre Autos wurden angezündet, ihre Gewerberäume und damit ihre Arbeitsplätze wurden mutwillig zerstört. Für manche dieser Opfer kommt diese Zerstörung dem Verlust der eigenen Existenzgrundlage gleich. Weil das nicht hinnehmbar ist, hat der Erste Bürgermeister unmittelbar nach den Geschehnissen schnelle und unbürokratische Hilfe zugesagt, die nicht nur seitens des Bundes, sondern auch seitens Hamburgs angeboten wird. Diese Hilfe wird nun in Form eines Härtefallfonds umgesetzt. Mit dem Beschluss in der Bürgerschaft wird finanziell sichergestellt, dass alle zuständigen Stellen in die Lage versetzt werden, die versprochene unbürokratische Auszahlung an die Betroffenen vorzunehmen. Im Haushaltsplan 2017/2018 sollen hierzu die notwendigen haushaltsrechtlichen Regelungen geschaffen werden. Der Schrecken, den viele Hamburgerinnen und Hamburger in diesen schweren Tagen erfahren mussten, lassen sich nicht allein mit Geld ausgleichen. Aber die finanziellen Hilfen sind ein Anfang und greifen denen unter die Arme, die materiell besonders hart und nachhaltig getroffen wurden.

I. Die Bürgerschaft spricht allen Einsatzkräften von Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen ihren Dank für ihren großen persönlichen Einsatz aus und verurteilt die Ausschreitungen im Kontext des Gipfelgeschehens aufs Schärfste.

II. Die Bürgerschaft möge beschließen:

Gemäß § 52 Absatz 3 ihrer Geschäftsordnung setzt die Bürgerschaft einen Sonderausschuss „Gewalttätige Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel in Hamburg“ ein.

Der Ausschuss hat den Auftrag,

die gewalttätigen Ausschreitungen, die im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg stattgefunden haben, aufzuarbeiten und eine Analyse und ganzheitliche Betrachtung von Tat-, Täter- und Unterstützungsstrukturen, des bundesweit abgestimmten Sicherheitskonzeptes sowie weiterer relevanter Umstände vorzunehmen. Ziel ist es, die richtigen Lehren zu ziehen, damit sich so etwas in Hamburg nicht wiederholt.

Der Ausschuss besteht aus 19 Mitgliedern. Die Zahl der ständigen Vertreterinnen und Vertreter richtet sich nach § 52 Absatz 1 Satz 4 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft.

III. Die Bürgerschaft möge ferner beschließen:

1. Damit der Senat zügig mit der Auszahlung der Hilfen beginnen kann, wird im Haushaltsplan 2017/2018 die haushaltsrechtliche Regelung des Aufgabenbereichs 283 Zentrale Finanzen unter Ziffer 3 im dritten Spiegelpunkt wie folgt gefasst:

„Kosten, die im Rahmen der Ausrichtung des G 20-Gipfels in 2017 sowie für Billigkeitsentschädigungen für entstandene Sachschäden durch Gewalttaten im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel verursacht werden.“

2. Der Senat möge der Bürgerschaft über die Einrichtung und Bewirtschaftung des oben beschriebenen Härtefallfonds zu gegebener Zeit berichten.

 

 

 

sowie
  • der Abgeordneten Dr. Anjes Tjarks
  • Antje Möller
  • Farid Müller
  • Christiane Blömeke
  • Martin Bill (GRÜNE) und Fraktion