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Pflegende Angehörige stärker unterstützen

Mittwoch, 21.09.2022

Pflegende Angehörige schultern auch in Hamburg den Großteil der Pflegearbeit im häuslichen Umfeld. Aus der Pflegestatistik von 2019 geht hervor, dass über 60.000 Menschen in Hamburg zuhause gepflegt werden. Dies entspricht rund 80 Prozent aller Pflegebedürftigen. Rund ein Drittel der Angehörigen wird durch ambulante Pflegedienste unterstützt. In den meisten Fällen übernehmen die Angehörigen jedoch ohne professionelle Hilfe alle anfallenden Aufgaben und die volle Verantwortung für die pflegebedürftigen Menschen. Die Leistung der pflegenden Angehörigen wird dennoch oftmals übersehen oder unterschätzt. Die Koalition von SPD und GRÜNEN hat sich in Hamburg deshalb dafür eingesetzt, dass pflegende Angehörige einen Platz im Landespflegeausschuss erhalten. Seit Mitte des Jahres 2021 ist die Allianz pflegender Angehöriger e.V. in dem Gremium vertreten und bei der Erstellung der pflegerischen Rahmenplanung beteiligt. Seither sprechen pflegende Angehörige in Hamburg mit, wenn es um die pflegerischen Versorgungsbedarfe und notwendige Unterstützungsstrukturen geht. Dies ist ein wichtiger Fortschritt auf dem Weg zu einer angemessenen Beteiligung von pflegenden Angehörigen, wo es um ihre Belange, ihre Arbeit und ihren Alltag mit den pflegebedürftigen Menschen geht.

Für die Ermöglichung von Pflege durch Angehörige sind die Gesetze zur Pflegezeit und Familienpflegezeit von zentraler Bedeutung, denn sie erlauben die geschützte Unterbrechung oder Reduzierung von Berufstätigkeit, um die Pflege von Angehörigen oder Nahestehenden zu organisieren oder selbst zu übernehmen. Die Bundesregierung hat sich hier eine Weiterentwicklung vorgenommen, die die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf weiter verbessern und mehr Zeitsouveränität für Pflegende Angehörige bringen soll.

Die meisten Pflegebedürftigen werden durch eine Hauptpflegeperson versorgt, die oft auch im gemeinsamen Haushalt wohnt. (Ehe-)Frauen und (Schwieger-)Töchter zwischen 50 und 70 Jahren sind besonders häufig Hauptpflegepersonen, die sich täglich um einen pflegebedürftigen Menschen kümmern. Dabei kommt es immer wieder zu Überlastungssituationen, die sich in Erschöpfung, Schlafmangel, Ängsten, Einsamkeit oder schlechtem Gewissen äußern. In diesem Setting ist die psychische und körperliche Gesundheit der pflegenden Personen stark gefährdet. Daher sind breit gefächerte Unterstützungsangebote, insbesondere eine professionelle Beratung in allen Fragen rund um die Pflege, verlässliche und kurzfristig erreichbare Ansprechpersonen, Haushaltshilfen, Austausch in Gesprächsgruppen und die Möglichkeit, mit einem Kurzzeitpflegeplatz eine Auszeit zu nehmen, dringend notwendig, um die Pflege über einen längeren Zeitraum leisten zu können.

Im Koalitionsvertrag für Hamburg wurde vereinbart, dass pflegende Angehörige in Zukunft noch stärker unterstützt werden sollen. Dabei spielen die individuelle Beratung und die Aufklärung über Leistungsansprüche eine wichtige Rolle. Häufig sind Ansprüche auf Hilfen nicht bekannt oder bürokratische Hürden erschweren den Zugang. So werden beispielsweise die Entlastungsleistungen der Pflegekassen oft nicht genutzt. Dabei stehen Betreuungsangebote, Gesprächsgruppen oder Haushaltshilfen jedem häuslich gepflegten Menschen in einem Umfang von 125 Euro im Monat zu. Aber ein Großteil der Berechtigten nimmt die Leistungen nicht in Anspruch. Um die Lücke zu schließen, sollen die Entlastungsleistungen bekannter gemacht werden. Gleichzeitig ist es notwendig, die Verfahren zur Inanspruchnahme von Hilfen zu vereinfachen. Zu diesem Zweck wird die Pflege-Engagement-Verordnung in Hamburg evaluiert. Nachbarschaftshelfer*innen sollen zukünftig stärker motiviert und nicht mehr durch hohe bürokratische Anforderungen abgeschreckt werden. Im Sinne einer stetigen Verbesserung der bestehenden Hilfesysteme soll auch der Hamburger Pflegekompass erweitert werden. Der Kompass ist eine wertvolle Orientierungshilfe auf der Suche nach einem passenden Pflegeplatz, weist bislang aber nur vollstationäre Pflegeeinrichtungen aus. In Zukunft sollen auch Servicewohnanlagen im Kompass erfasst werden. Neben dem Ausbau von Kurzzeitpflegeplätzen ist die Einrichtung eines Pflege-Notrufs mit einem Pflegenotdienst im Koalitionsvertrag für Hamburg bereits beschlossen worden. Der Pflege-Notruf wird alle pflegenden Angehörigen von der Sorge entlasten, in plötzlich eintretenden Überforderungssituationen mit der pflegebedürftigen Person allein zu sein. Die Gewissheit, dass im Notfall schnelle Hilfe kommt, wird alle Pflegepersonen in Hamburg enorm erleichtern. Damit Notsituationen jedoch möglichst selten eintreten, sollen auch durch die Berater*innen der Pflegestützpunkte noch häufiger Hausbesuche angeboten werden.

Zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf werden in Hamburg seit 2016 betriebliche Vereinbarkeitslots*innen ausgebildet. Die Fortbildung ist ein Projekt der Hamburger Allianz für Familien. Vereinbarkeitslots*innen sind geschulte Beschäftigte, die als erste Ansprechpersonen in den Betrieben bzw. in den Personalabteilungen bei Fragen zu Pflege und Beruf beratend zur Seite stehen. Im Koalitionsvertrag wurde die Ausbildung von weiteren Pflegelots*innen beschlossen. So werden ab Herbst 2022 auch Beschäftigte der Freien und Hansestadt Hamburg im Zentrum für Aus- und Fortbildung zu Vereinbarkeitslots*innen ausgebildet.

Wenn Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene in einem Pflegehaushalt leben, sind eigene Fragestellungen damit verbunden. Insbesondere dann, wenn Kinder und Jugendliche Aufgaben in der Versorgung von pflegebedürftigen Familienmitgliedern übernehmen. Für diese Zielgruppe (young carers) soll ein eigenes Beratungsangebot geschaffen werden.

 

 

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

 

1. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass das Ministerium für Familie zeitnah das Vorhaben der Regierungskoalition im Bund umsetzt, das Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz weiterzuentwickeln, um pflegenden Angehörigen und Nahestehenden mehr Zeitsouveränität auch durch Lohnersatzleistungen im Falle pflegebedingter Auszeiten zu ermöglichen,

2. die Möglichkeit von Hausbesuchen als Angebot der Pflegestützpunkte zur Beratung pflegender Angehöriger auszubauen,

3. zu prüfen, wie Servicewohnanlagen in den Pflegekompass aufgenommen werden können und dabei auch die Unterschiede dieser Angebotsform zur klassischen Wohnpflegeeinrichtungen deutlich zu machen,

4. auf Grundlage der Evaluation der Pflege-Engagement-Verordnung die Inanspruchnahme der Nachbarschaftshilfe zu erleichtern,

5. beim Ausbau der Angebote die Zielgruppe der pflegenden Kinder und Jugendlichen besonders zu berücksichtigen,

6. der Bürgerschaft bis zum 31.03.2023 über die Ergebnisse zu berichten.

 

 

 

sowie
  • Christa Möller-Metzger
  • Filiz Demirel
  • Mareike Engels
  • Michael Gwosdz
  • Britta Herrmann
  • Linus Görg
  • Dr. Gudrun Schittek
  • Yusuf Uzundag
  • Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion