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Potentiale des Chancenaufenthaltsgesetzes optimal nutzen

Mittwoch, 18.01.2023

In Deutschland und Hamburg leben viele Menschen seit vielen Jahren mit einer Duldung. Der Aufenthalt mit immer wieder verlängerten Duldungen erschwert den Zugang zu Qualifizierung und Arbeit, da allein Förderungen über die Bundesagentur für Arbeit oder die Sozialbehörde möglich sind. Gleichzeitig gibt es viele Langzeitgeduldete, bei denen absehbar ist, dass der Aufenthalt noch länger anhalten wird und Abschiebungen in die Herkunftsländer absehbar nicht möglich sein werden. Abschiebungsstopps und die Situation im Herkunftsland können hierfür gute Gründe sein. Hamburg hat sich in der Vergangenheit bereits auf verschiedenen Wegen um diese Langzeitgeduldeten gekümmert. So wurde das Instrument der sogenannten „Chancenduldung“ entwickelt. Hier erhielten die Inhaber:innen ein Jahr Zeit, um Voraussetzungen für einen Übergang in ein reguläres Aufenthaltsrecht zu klären. Auch fördert Hamburg seit vielen Jahren u. a. mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds Projekte, die Menschen mit Duldung beratend und qualifizierend auf dem Weg zu Spracherwerb, in Ausbildung, zur Anerkennung von Abschlüssen und in Arbeit zur Seite stehen.

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen sind wir überzeugt: Das Chancenaufenthaltsrecht kann eine Win-win-Situation für alle Seiten sein. Der im Koalitionsvertrag auf Bundesebene von SPD, GRÜNEN und FDP versprochene Neuanfang in der Migrationspolitik wird damit eingeleitet. Geduldete Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, erhalten die Chance auf einen dauerhaften Aufenthalt. Wer zum 31.10.2022 fünf Jahre in Deutschland war und nicht straffällig geworden ist, kann das Chancenaufenthaltsrecht beantragen und hat dann 18 Monate Zeit, die Voraussetzungen für ein reguläres Bleiberecht zu erfüllen. In Hamburg betrifft dies derzeit ca. 3.000 Personen. Der Aufenthaltstitel nach § 104c Aufenthaltsgesetz (AufenthG) für die Dauer von 18 Monaten ist nicht verlängerbar und kann nur einmal erteilt werden. Deshalb ist es wichtig, dass diese Frist optimal genutzt wird, um am Ende die Bedingungen für ein reguläres Bleiberecht, insbesondere nach den §§ 25a oder b AufenthG, auch wirklich erfüllen zu können. Denn hierfür müssen spätestens nach Ablauf des 18-monatigen Chancenaufenthaltsrechts folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

· Überwiegende Sicherung des eigenen Lebensunterhalts oder der Bedarfsgemeinschaft

• mündliche Deutschkenntnisse auf Niveau-A2

• Klärung der Identität bzw. Führung des Nachweises, dass alle erforderlichen und zumutbaren Bemühungen zur Klärung der Identität unternommen wurden

Das neue Chancenaufenthaltsrecht wird nur dann seine Wirkung voll entfalten können, wenn die Menschen, die diese neuen Möglichkeiten erhalten, sich auf diese Anforderungen gut vorbereiten können und die hierfür notwendige Unterstützung erhalten. Dazu gehören insbesondere die Einschätzung der eigenen Kompetenzen, der Qualifizierungsbedarfe, die Hilfe beim Zugang zu Arbeit und Ausbildung sowie bei der Klärung der Identität.

Mit den vorhanden Angeboten der im Hamburg Welcome Center zusammengeschlossenen Akteur:innen und z. B. dem Flüchtlingszentrum hat Hamburg bereits Strukturen geschaffen, die für eine möglichst erfolgreiche Umsetzung des Chancenaufenthaltsrechts eine gute Grundlage bilden.

 

Die Bürgerschaft möge daher beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. in Hamburg Personen, für die das Chancenaufenthaltsgesetz ein Ende der Erteilung von sog. Kettenduldungen bedeuten könnte, dahingehend zu informieren und zu beraten, sich vor der Beantragung eines Aufenthaltstitels nach dem neuen §104c Aufenthaltsgesetz (AufenthG) bei den zuständigen Stellen, wie z. B. dem Hamburg Welcome Center, der Jugendberufsagentur oder der Bundesagentur für Arbeit bzw. dem Jobcenter über Qualifizierungs- bzw. Spracherwerbsmöglichkeiten zu informieren und an entsprechende Beratungsstellen, wie z. B. das Flüchtlingszentrum, zu verweisen,

2. zur Umsetzung des Chancenaufenthaltsgesetzes in Hamburg über das Hamburg Welcome Center geeignete Beratungs- und Qualifizierungsangebote in ausreichender Zahl vorzuhalten,

3. dabei sollen die Angebote weiterer Träger einbezogen werden, um Schnittstellen in der Beratung und Begleitung der Menschen zum und im Chancenaufenthaltsrecht gut zu koordinieren,

4. Qualifizierungsmaßnahmen für diese Personengruppe vorzuhalten, die die Menschen dabei unterstützen, perspektivisch die Voraussetzungen der §§ 25a oder b AufenthG oder sonstiger Aufenthaltserlaubnisse zu erfüllen und sicherzustellen, dass auch die Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung mündlich dargestellt werden können,

5. der Bürgerschaft bis zum 31.03.2023 über die gewählte Vorgehensweise und erste Erfahrungen zu berichten.

 

 

sowie
  • Michael Gwosdz
  • Filiz Demirel
  • Mareike Engels
  • Linus Görg
  • Dr. Adrian Hector
  • Britta Herrmann
  • Christa Möller-Metzger
  • Dr. Gudrun Schittek
  • Yusuf Uzundag
  • Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion