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Rechtsextremismus entschieden entgegentreten: Mit den Mitteln des Rechtsstaates die Demokratie vor ihren Feind:innen schützen.

Mittwoch, 28.02.2024

„Vielfalt und Weltoffenheit sind identitätsstiftend für die hanseatische Stadtgesellschaft. In diesem Sinne und mit festem Willen schützt die Freie und Hansestadt Hamburg die Würde und Freiheit aller Menschen. Sie setzt sich gegen Rassismus und Antisemitismus sowie jede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein. Sie stellt sich der Erneuerung und Verbreitung totalitärer Ideologien sowie der Verherrlichung und Verklärung des Nationalsozialismus entgegen.“

Dies ist ein Auszug aus der Präambel der Hamburger Verfassung, welche am 17.03.2023 interfraktionell, gegen die Stimmen der AfD-Fraktion, angepasst worden ist. Diese Ablehnung drückt den Geist der Intoleranz auch in der Hamburger AfD deutlicher aus als die halbherzigen Versuche, sich von dem Geheimtreffen in Potsdam und menschenverachtenden Deportationsplänen zu distanzieren. Dass die AfD-Fraktion ihre Sitzung im Hamburger Rathaus kurzfristig am Tag der Demonstrationen gegen die bekannt gewordenen, menschenverachtenden Planungen anberaumte, deutet – wie auch öffentliche Reaktionen verschiedener Gliederungen – darauf, hin, dass die AfD sich von den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus angesprochen fühlt. Besonders auffällig ist, dass ihnen die Öffnung des Zugangs des Rathausmarktes aus erheblichen Sicherheitsgründen am 19. Januar 2024 ein relevanteres Anliegen in der politischen Auseinandersetzung ist als die Thematisierung der Ursache für den Protest von 180.000 Hamburger:innen. Dass die AfD-Fraktion weiterhin eine Abgeordnete in ihren Reihen duldet, die sich öffentlich mit Rechtsradikalen wie Martin Sellner solidarisiert (Abg. Olga Petersen), dass ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender eine abgeänderte Version des Hitlerjugend-Liedes herausgegeben hat (Abg. Dr. Alexander Wolf) und dass ihr Fraktionsvorsitzender sich mit Neonazis im Rathauskeller zusammensetzt (Abg. Dirk Nockemann) – das alles sind deutliche Hinweise dafür, dass die Hamburger AfD ganz im Geiste ihrer Bundespartei agiert. Eine Distanzierung von Landesverbänden, die bereits als rechtsextrem eingestuft wurden, findet nicht statt, während Landtags- und Bundestagsabgeordnete der AfD aus ganz Deutschland erklären, die Deportationspläne von Potsdam seien kein Geheimplan, sondern entsprächen dem Parteiprogramm. Der Geschäftsführer der Hamburger AfD verkündete entsprechend einen außerplanmäßigen Gastvortrag im Rathaus von Ulrich Vosgerau, einem Teilnehmer und Referenten der Potsdamer Konferenz.

Die Zunahme von Hasskriminalität und von rechtsextremen Gewalttaten belegt, dass diese europaweit agierenden Netzwerke nicht nur die Diskussion über unser gesellschaftliches Miteinander verändern, sondern zur konkreten Bedrohung vieler Menschen führen. Diese Bedrohung nehmen wir sehr ernst.

 

Dass unsere Demokratie wehrhaft ist und unsere Verfassung für alle Menschen gilt, hat historische Wurzeln und dass dieser Geist tief in unserer Gegenwart verankert ist, haben die Hamburger:innen bei den vielen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus zum Ausdruck gebracht. Unser Grundgesetz hält nicht grundlos juristische Werkzeuge vor, gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen vorzugehen. Diese juristischen Werkzeuge umfassen insbesondere Vereinsverbote (Art. 9 Abs. 2 GG), die Feststellung der Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 GG) und das Parteienverbot (Art. 21 Abs. 2 GG).

Wie auch das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngsten Entscheidung zum Ausschluss der NPD (jetzt: Die Heimat) von der staatlichen Parteienfinanzierung erneut bekräftigt hat, „sollen Verfassungsfeinde sich nicht unter Berufung auf die Freiheiten, die das Grundgesetz gewährt, und unter ihrem Schutz die Verfassungsordnung oder den Bestand des Staates gefährden, beeinträchtigen oder zerstören“ (vgl. BVerfG, Urteil v. 23.01.2024, 2 BvB 1/19). Sämtliche denkbaren Maßnahmen erfordern allerdings – bei aller Dringlichkeit – eine den hohen Hürden des Grundgesetzes entsprechende Prüfung in enger Zusammenarbeit von Bund und Ländern, wobei auch aktuell ausstehende gerichtliche Entscheidungen, wie das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall einstufen durfte, berücksichtigt werden müssen. Solange jedoch die Einstufung als verfassungsfeindliche Partei im Status eines Verdachtsfalls juristisch noch nicht bestätigt ist, kommt ein Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit nicht in Betracht.

Parteien haben in unserer parlamentarischen Demokratie eine herausragende Stellung. Daraus ergeben sich ebenso hohe Hürden eines Parteienverbotes. Eine umfassende Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte legt Argumente dar, die dafürsprechen, dass die Voraussetzungen für ein Parteienverbot der AfD vorliegen. Die genaue Untersuchung der Voraussetzungen obliegt dem Bundesverfassungsgericht mit einer konkreten juristischen Prüfung. Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung. Ob so ein Antrag gestellt werden soll, muss nach gründlicher Prüfung politisch entschieden werden. Die aktuelle Prüfung des Verfassungsschutzes zur möglichen Einstufung der gesamten AfD als gesichert rechtsextrem könnte hierfür eine weitere Grundlage sein.

Sehr hohe Hürden gelten auch für ein Vereinsverbot der Jugendorganisation der AfD „Junge Alternative“ (JA). Hier drohte ein Verbotsverfahren in Hamburg konkret schon an der mangelnden strukturellen Organisationsstärke und Handlungsfähigkeit der JA zu scheitern. Des Weiteren handelt es sich bei der JA um eine bundesweite Organisation, womit die Zuständigkeit für ein Vereinsverbotsverfahren beim Bundesministerium des Innern liegt. Das Bundesinnenministerium ist durch seinen gesetzlichen Auftrag permanent aufgefordert, für extremistische Organisationen und Bestrebungen das Vorliegen ausreichender Gründe für ein Vereinsverbot zu prüfen.

In Hamburg verfügen wir über einen starken Verfassungsschutz, der jährlich über die Entwicklungen des Rechtsextremismus berichtet. Auch haben wir in den letzten Jahren das Landesamt für Verfassungsschutz schrittweise nach einer genauen Bedarfsanalyse um rund 50 Stellen aufgestockt und zielgerichtet ausgestattet (Drs. 22/10304).

 

Angesichts der Gewaltbereitschaft im rechtsextremen Umfeld ist auch der Blick auf den Zugang zu Waffen zu richten. Im Zuge der kriminalpolizeilichen Ermittlungen und der internen Aufbereitung der Amoktat vom 9. März 2023 sowie der daran anschließenden Überlegungen zu erforderlichen Prozessoptimierungen im Bereich der Waffenbehörde und in einzelnen Bereichen der Polizei sind auch mit anderen Hamburger Behörden und externen Stellen Gespräche geführt worden, die letztendlich in ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Stärkung der Waffenbehörde geflossen sind. Neben der personellen Verstärkung und den vielen weiteren Maßnahmen zur Stärkung der Waffenbehörde wäre ein Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnisse aufgrund der Mitgliedschaft in der AfD und der JA differenziert zu betrachten. Bis zu einer eventuellen Einstufung der Bundespartei AfD als gesichert verfassungsfeindlich oder der Einstufung des Bundes- oder jeweiligen Landesverbandes der JA als gesichert rechtsextrem, dürfte der Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis aufgrund der Mitgliedschaft, nach Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung, jeweils wenig erfolgsversprechend sein. Ganz überwiegend begründet nach der jüngeren Rechtsprechung eine Mitgliedschaft in der AfD derzeit keine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit.

 

Als Bürgerschaft missbilligen wir alle rechtsextremen und menschenverachtenden Äußerungen, Anträge und Veranstaltungen und schauen in diesem Sinne aufmerksam auf gewählte Vertreter:innen des Hauses. Die Aufnahme einer Regelung, die die Nutzung von Räumen des Rathauses oder der Bürgerschaftskanzlei durch die Fraktionen oder Gruppen für solche Veranstaltungen ausschließt, auf denen antisemitische, rassistische oder antiziganistische Positionen vertreten werden oder Redner:innen eingeladen sind, die antisemitische, rassistische oder antiziganistische Positionen vertreten, , würde den Eindruck erwecken, dass es ohne solch eine Regelung im Sinne des Hauses sein könnte, dass solche Veranstaltungen stattfinden können.

§ 8 Absatz 3 der Hausordnung der Hamburgischen Hausordnung umfasst dies abstrakt:

Voraussetzung für die Überlassung der in § 1 genannten Räumlichkeiten ist, dass die Interessen sowie das Ansehen und die Würde des Parlaments gewahrt bleiben.

Wir leben in einer Demokratie; die Stadtgesellschaft wählt regelmäßig in freien und geheimen Wahlen Parteien und Einzelkandidat:innen in dieses Parlament. Unsere Stadtgesellschaft und alle demokratischen Fraktionen und Gruppen dieses Hauses stehen für Offenheit und Vielfalt.

Unsere Gewaltenteilung funktioniert und sollten Berichterstattungen den begründeten und mit an Sicherheit wahrscheinlichen Verdacht erbringen, dass eine Fraktion mit einer Veranstaltung die Würde des Parlaments verletzte, wird dies für zukünftige Entscheidungen bei der Überlassung von Räumen mit einfließen.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. weiterhin mit allen Bundesländern, den zuständigen Bundesministerien sowie auf sicherheitsbehördlicher Ebene bundesweit zusammenzuarbeiten bzgl. der sorgfältigen Prüfung, ob die hohen rechtlichen Anforderungen an ein Parteienverbotsverfahren im Fall der AfD umfassend erfüllt sind. Gleiches gilt für die rechtliche Prüfung eines Verbotes der Jungen Alternative nach dem Vereinsrecht.

 

 

sowie
  • Jennifer Jasberg
  • Dominik Lorenzen
  • Lena Zagst
  • Michael Gwosdz
  • Eva Botzenhart
  • Alske Freter
  • Sina Imhof
  • Lisa Kern
  • Sina Aylin Koriath
  • Sonja Lattwesen
  • Lisa Maria Otte (GRÜNE) und Fraktion