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Rechtsextremistische Straftaten seit 2003 verdreifacht - Hamburg braucht ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus!

Mittwoch, 06.06.2007

Die Entwicklung der rechtsextremen Kriminalität in Hamburg ist besorgniserregend:

 

- Die Zahl rechtsextremer Straftaten hat sich in Hamburg seit 2003 fast verdreifacht - von 139 auf jetzt 400.

 

- Während bundesweit in 2006 eine Steigerung der rechtsextremen Straftaten um 14,6 % gegenüber dem Vorjahr verzeichnet wurde, waren es in Hamburg alarmierende 40,4%.

 

- Hamburg ist in der Häufigkeitszahl (rechtsextreme Straftaten pro 100.000 Einwohner) mit rund 22 Straftaten pro 100.000 Einwohner an die traurige Spitzenposition unter den West-Bundesländern bzw. auf Platz 4 insgesamt gerückt (hinter Berlin mit 50 rechtsextremen Straftaten auf 100.000 Einwohner, Brandenburg mit 37, Sachsen mit 32). Hinter Hamburg folgen Sachsen-Anhalt mit 21 rechtsextremen Straftaten auf 100.000 Einwohner, Niedersachsen mit 20, Bremen mit 15, Schleswig-Holstein mit 13 und Mecklenburg-Vorpommern mit 11. Alle anderen Bundesländer liegen in dieser Wertung unter 10 Straftaten auf 100.000 Einwohner.

 

- In Hamburg wurde in 2006 nicht einmal jede dritte rechtsextremistische Straftat aufgeklärt. Die Aufklärungsquote ist gegenüber dem Vorjahr um 7,8 Prozentpunkte auf 32 % gesunken.

 

- Die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen bei rechtsextremer Kriminalität ist massiv gestiegen.

 

Der Hamburger CDU-Senat hat entweder ahnungslos oder verharmlosend auf diese Entwicklung reagiert. Mal ist davon die Rede, es habe während der Fußball-WM ein erhöhtes Anzeigeverhalten gegeben. Mal wird betont, es handele sich ja nur um harmlose Hakenkreuz-Schmierereien. Die Beantwortung der Großen Anfrage aus Drs. 18/6063 durch den CDU-Senat hat zudem bedenkliche Erkenntnislücken der Behörden offenbart. Ein ganzheitliches Landesprogramm aus aufeinander abgestimmten repressiven und präventiven Maßnahmen fehlt in Hamburg völlig.

 

Die Verfestigung rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Strukturen im Gemeinwesen und deren gezielte Einflussnahme auf die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger bedrohen die demokratische Grundordnung unserer Gesellschaft. Der Bund und viele Länder haben das erkannt. So stehen für die Arbeit gegen Rechtsextremismus deshalb im Bundeshaushalt aktuell 5 Mio. Euro extra zur Verfügung, was auf eine Initiative der SPD-Bundestagsfraktion zurückgeht. Vom zuständigen Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wurde deshalb zu Beginn des Jahres 2007 das neue Bundesprogramm „Förderung von Beratungsnetzwerken – Mobile Intervention gegen Rechtsextremismus“ aufgelegt. Mit seinem Schwerpunkt auf Krisenintervention und Beratungsleistung soll es das Bundesprogramm „Jugend für Vielfalt, Toleranz, und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ ergänzen. In enger Kooperation sollen in allen Bundesländern Mobile Interventionsteams für den Einsatz gegen Rechtsextreme Aktivitäten aufgebaut werden. Jedes Bundesland hat eine Landeskoordinierungsstelle einzurichten, die u. a. auch als zentrale Kontaktstelle für das BMFSFJ und die bundesweite Zentralstelle fungieren soll. Der CDU-Senat hat zwar am

 

11. April 2007 mitgeteilt, in diesem Rahmen Fördergelder zu beantragen. Inwieweit die Möglichkeiten des Bundes ausgeschöpft werden, inwieweit Hamburg etwas kofinanziert und inwieweit geförderte Maßnahmen sich in Hamburger Aktivitäten einfügen, bleibt unklar. Dieses Vorgehen unterstreicht das Desinteresse und die Einfallslosigkeit des Hamburger CDU-Senats für eine offensive Bekämpfungsstrategie gegen Rechtsextremismus.

 

Andere Bundesländer gehen hier gänzlich anders vor, bündeln ihre präventiven und repressiven Maßnahmen. So hat das Land Berlin ein umfassendes „Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ aufgelegt, das – neben den sehr wirksamen polizeilichen Maßnah¬men gegen rechtsextreme Kader, Kameradschaften und gegen die rechtsextreme Musikszene - auf die Stärkung und Weiterentwicklung der demokra¬tischen Gegenkräfte setzt, indem es die Bildung und die Verstetigung zivil¬gesell¬schaftlicher demokratischer Strukturen in und zwischen den ethnisch und kulturell vielfältigen Bevölkerungsgruppen fördert. Das dortige Programm berück¬sichtigt, dass ethnische und kulturelle Minderheiten sowohl potenzielle Opfer von Übergriffen sind, als auch Ausgangspunkt demokratiefeindlicher Erschei¬nungen sein können. Die zentralen Handlungsfelder des vom Bund teilweise co-finanzierten Landesprogramms sind:

 

- Mobile Beratung und Netzwerke

 

- Demokratische Jugendkultur und Stärkung der Zivilgesellschaft

 

- Kommunale Integration; Nachbarschaft stärken

 

- Opferberatung

 

- Dokumentation und Recherche

 

Vorbildlich ist insbesondere die im Rahmen des dortigen Landesprogramms finanzierte „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR)“, die Berlinerinnen und Berliner unterstützt, die in ihrem Wohn-, Arbeits- oder sozialen Umfeld mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus konfrontiert sind. Unter Berücksichtigung der jeweiligen lokalen Ressourcen entwickelt die MBR gemeinsam mit Jugendeinrichtungen, Schulen, zivilgesellschaftlichen Initiativen sowie der Kommunalpolitik und Verwaltung auf Bezirksebene situationsbezogene Handlungsstrategien, bietet Fortbildungen an und setzt lokale Aktionspläne um.

 

Vor dem Hintergrund der Verdreifachung rechtsextremer Straftaten in Hamburg seit 2003 ist eine Gesamtstrategie präventiver und repressiver Maßnahmen überfällig. In Hamburg muss mehr passieren, damit die Wortergreifungs- und Provokationsstrategie von Rechts nicht aufgeht und der Hansestadt die Schande einer rechtsextremen Partei in der Bürgerschaft im nächsten Jahr erspart bleibt. Ein Landesprogramm nach dem Vorbild anderer Bundesländer kann ein entscheidender Baustein sein – neben einer weiter zu intensivierenden Arbeit der Verfassungsschutz- und Strafverfolgungsbehörden in diesem Bereich.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

 

„Der Senat wird aufgefordert,

 

1. schnellstmöglich unter Einbeziehung der Erfahrungen und Schwerpunkte anderer Bundesländer sowie vollständiger Ausschöpfung der Co-Finanzierungsmöglichkeiten des Bundes und Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure ein Hamburger Landesprogramm gegen Rechtsextremismus - einschließlich der Einrichtung von Beratungsnetzwerken - aufzulegen,

 

2. schnellstmöglich einen aussagefähigen und öffentlich zugänglichen Lagebericht zur Entwicklung des rechtsextremen Kriminalität und zu dessen Bekämpfung vorzulegen,

 

3. die lokalen Bündnisse in Hamburg gegen Rechtsextremismus aktiv zu unterstützen,

 

4. die Arbeit der Verfassungsschutz- und Strafverfolgungsbehörden gegen Rechtsextremismus weiter zu intensivieren,

 

5. und der Bürgerschaft bis zum 1. September 2007 über die Ergebnisse zu berichten und dabei insbesondere darzustellen, welche Projekte in Hamburg insgesamt bereits aufgelegt sind bzw. sich zurzeit mit welcher Ziel- und Zeitvorgabe in Planung befinden.“