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Saatgutverordnung der EU-Kommission darf nicht zu Einschränkungen der Sortenvielfalt führen

Donnerstag, 12.09.2013

Die EU-Kommission plant ein neues Saatgutrecht. Diese Reform droht zu einer Einschränkung der Saatgut-Vielfalt und somit auch der Sortenvielfalt beizutragen. Ziel eines überarbeiteten Saatgutrechtes muss die Nutzung und Ausweitung landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Biodiversität sein und nicht die Bevorzugung sogenannter „DUS“-Sorten (distinctness, uniformity, stability).

Konsequenzen aus dem Gesetz ergeben sich für alle Hersteller, Nutzer und Konsumenten von Sorten, die sich nicht durch eine hohe Einheitlichkeit auszeichnen. Bevorzugt werden durch dieses Gesetz gerade die Obst- und Gemüsesorten, die für den kommerziellen Anbau gezüchtet wurden und die typischerweise ertragreich, einheitlich und transport- und lagerfähig sind. Hinzu kommt der Aspekt, dass Hybrid-Sorten nicht mehr vermehrt werden können. Ein Fokus auf Produktivität und gleichzeitiger Vernachlässigung der genetischen Vielfalt in der Landwirtschaft wäre nicht zeitgemäß und passt nicht zu den Bedürfnissen nachhaltigkeitsorientierter Verbraucher. Vielfaltsorten können sich sehr viel besser an regionale Unterschiede hinsichtlich Klima und Boden anpassen und kommen mit weniger Einsatz von Chemie aus. Auch der Öko-Landbau hätte das Nachsehen. Viele für die biologische Landwirtschaft gezüchtete Sorten erhalten häufig keine Zulassung, da sie nicht einheitlich genug sind. Auch hier setzt das neue Gesetz die falschen Akzente: Beim Öko-Landbau sind Sorten gefragt, die ohne Agrarchemie gedeihen, daher ist eine konventionelle Wertprüfung für sie nachteilig. Sobald es zu einer Einschränkung der Sorten kommt, gerade derer aus dem Öko-Landbau, wird Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit genommen, mit ihrem Einkaufsverhalten Sortenvielfalt und ökologische Landwirtschaft zu fördern.

Hinsichtlich der Registrierung sieht die Reform nur wenige Zugeständnisse vor. Als eines dieser Ausnahmen sieht das Gesetz eine abgeschwächte Registrierung für althergebrachte Sorten vor. Auch Hobbygärtner sind von dem Entwurf ausgenommen. Dies bedeutet aber immer noch, dass beim Verkauf einzelner Sorten eine Marktzulassung durch das zuständige Amt erteilt werden muss. Für Anbieter, die viele Sorten pflegen und verkaufen, entstehen zusätzliche Arbeit und Kosten. Es sind verschiedene Risiken, die in den Ausnahmeregelungen nach Art. 14, 36, 57 und 59 durch das Instrument der delegierten Akte offengehalten werden. Dadurch wird die Kommission dazu ermächtigt, wichtige Punkte erst im Nachhinein zu regeln, wie etwa die Festlegung der konkreten Sorten auf die das Gesetz zutreffen soll.

Alle Nischenregelungen können aber den Grund-Webfehler der Verordnung nicht beheben: alle nicht-DUS-Sorten werden in Nischen abgedrängt, die DUS-Sorten werden weiterhin als der Normalfall betrachtet. Das droht zur weiteren Abnahme der genetischen Basis der Arten beizutragen. Auch ist noch nicht eindeutig zugesichert, dass seltene Sorten, die nicht als „althergebrachte Sorten“ gelten, eine Zulassung erhalten.

Eine grundlegende Überarbeitung wäre dringend notwendig, um die regionale Sortenvielfalt zu erhalten und zu fördern. Die jetzige Regelung fokussiert Kriterien, welche eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft behindern und auch den Erhalt der ökologischen Landwirtschaft gefährden.

Auch wenn über die tatsächliche Ausgestaltung der geplanten Saatgutverordnung zum heutigen Zeitpunkt noch keine eindeutigen Hinweise vorliegen – was nicht zuletzt an den „delegated acts“ liegt – so besteht die Gefahr, dass es zu oben genannten Einschränkungen kommen kann.

Im größten geschlossenen Anbaugebiet für Gemüse- und Zierpflanzen in Deutschland werden im Freiland und unter Glas Schnitt- und Topfblumen, Beet- und Balkonpflanzen, Gemüse, Kräuter und Stauden gezüchtet und vermarktet. Im Hamburger Teil des größten geschlossenen Obstanbaugebietet Nordeuropas, im Alten Land, werden hauptsächlich Äpfel, aber auch Birnen, Kirschen, Pflaumen und Erdbeeren angebaut. Es ist von großer Bedeutung für die Hamburger Landgebiete, eine regionale Sortenvielfalt zu erhalten und einer Vereinheitlichung und Einschränkung der hier angebauten Sorten vorzubeugen. Das Risiko, dass seltene Sorten mit regionalem Bezug keine Registrierung erhalten, oder nur mit bürokratischem und finanziellem Aufwand weiter angebaut werden können, muss im Vorfeld ausgeräumt werden. Im Besonderen besteht hier das Risiko, dass die guten Regelungen, die in Deutschland für Sortenvielfalt im Obstbereich aufgestellt wurden, durch das neue Recht gänzlich entfallen. Es ist von großer Bedeutung, das Alte Land mit seiner charakteristischen Sortenvielfalt zu erhalten und einer Vereinheitlichung und Einschränkung der dort angebauten Sorten vorzubeugen.

 

Die Bürgerschaft möge daher beschließen:

Der Senat wird ersucht, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass

1. die Anzahl der „delegated acts“ bzw. delegierten Rechtsakte so weit reduziert wird, damit die Implikationen der Saatgutverordnung klar ersichtlich werden.

2. sich die Saatgutverordnung auf die Vermarktung von Saatgut im großen Maßstab für den kommerziellen Anbau beschränkt und

3. der Austausch von Saat- und Pflanzengut unter Landwirten und Gärtnern frei bleibt.

4. für das Alte Land, welches einen großen Beitrag zur Sortenvielfalt und zum Erhalt alter und seltener Obstsorten liefert, keine Beeinträchtigungen durch die Ausgestaltung der Saatgutverordnung entstehen.