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Schaffung eines Rechtsrahmens für neue Mobilitätsdienste und Sicherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen

Donnerstag, 06.06.2019

In Hamburg sind seit einiger Zeit verschiedene plattformbasierte Fahrdienste unterwegs, die über Smartphones buchbare Fahrdienste für Einzelkundinnen und -kunden anbieten. Über die digitalen Plattformen werden Fahraufträge gebündelt, so dass diese deutlich günstiger als im Taxenverkehr angeboten werden können. Mit zunächst 100 elektrisch betriebenen Kleinbussen nahm im April dieses Jahres das Angebot der Volkswagentochter Moia seinen Betrieb auf. Ioki ist als On-Demand-Angebot der Deutschen Bahn im Hamburger Westen in Lurup und Osdorf tätig. Clever Shuttle bietet seine Dienste mit 50 Elektro- und Wasserstofffahrzeugen an.

Plattformbasierte On-Demand-Mobilitätsdienste dieser Art können eine gute und sinnvolle Ergänzung der bestehenden Mobilitätsformen darstellen, sofern sie den Verzicht auf private Pkw ermöglichen oder Verkehre vom motorisierten Individualverkehr (MIV) hin zu Sharing-Angeboten verlagern, welche im Optimalfall mit alternativen, emissionsarmen Antriebsarten arbeiten. Durch die Einbeziehung der neuen plattformbasierten Fahrdienste kann es zudem gelingen, den Menschen künftig überall im Hamburger Stadtgebiet – auch in den Randgebieten – ein schnell erreichbares Mobilitätsangebot zu unterbreiten. Deshalb ist die intelligente Kombination aller Mobilitätsformen in einer Metropole wie Hamburg unabdingbar.

Bei allen Chancen, die diese Fahrdienste bei der Gestaltung der umweltfreundlichen Mobilität der Zukunft bieten, können sie ohne eine ausreichende Regulierung auch den gegenteiligen Effekt haben und eine Konkurrenz zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) darstellen. Daher ist es wichtig, mit entsprechenden Regelungen im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) zu verhindern, dass sich durch ihre Zulassung Verkehre vom ÖPNV auf die Straße verlagern. Darüber hinaus muss auch die Wettbewerbsfähigkeit des Taxengewerbes sichergestellt werden, das als Teil der Daseinsvorsorge den Auftrag hat, Menschen zu fest kalkulierbaren Preisen zu befördern. Im Verhältnis zwischen Taxengewerbe und Mietwagenservice sind die Rechte und Pflichten nach dem PBefG trotz Gleichartigkeit des Angebots sehr unterschiedlich verteilt. Das Taxengewerbe unterliegt etwa einer Betriebs-, Beförderungs- und Tarifpflicht sowie bestimmten Vorgaben zur Ausstattung von Taxen. Diese Pflichten gelten für Anbieter von Mietwagen nicht, so dass diese insoweit einen Wettbewerbsvorteil genießen. Dafür gilt für Mietwagenanbieter die sogenannte Rückkehrpflicht, die bewirkt, dass die Fahrzeuge zum Betriebshof zurückkehren müssen, sofern kein aktueller Beförderungsauftrag vorliegt. Dadurch können sie anders als Taxen keine Fahrgäste spontan unterwegs aufnehmen.

Schon diese Verteilung von Rechten und Pflichten verdeutlicht: Obwohl On-Demand-Fahrdienste derzeit in aller Munde sind, ist das ihrer Genehmigung zugrunde liegende PBefG noch nicht auf die Fahrdienste des digitalen Zeitalters ausgelegt. Zwar sind sie grundsätzlich nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 46 PBefG genehmigungspflichtig – wie spätestens seit der Entscheidung des EuGH zur Uber-App feststeht. Dadurch wird Beförderungsdiensten, die nicht den gesetzlichen Anforderungen des PBefG entsprechen, ein Riegel vorgeschoben.

Gleichwohl sind plattformbasierte On-Demand-Dienste nicht explizit im PBefG geregelt und somit nur über „rechtliche Krücken“ als Erprobung einer neuen Verkehrsform nach § 2 Abs. 7 PBefG zeitlich befristet für maximal vier Jahre oder als Mietwagendienst im Sinne von §§ 46 Abs. 2 Nr. 3, 49 Abs. 4 PBefG genehmigungsfähig.

Daher soll das PBefG – so ist es im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD auf Bundesebene vorgesehen – mit dem Ziel der Schaffung einer bundesweit einheitlichen Rechtsgrundlage zur Genehmigung solcher Beförderungsangebote novelliert werden. Das Bundesverkehrsministerium hat kürzlich ein Eckpunktepapier für die Novellierung des Personenbeförderungsrechts als erste Diskussionsgrundlage vorgelegt, das allerdings hinsichtlich einzelner Vorschläge – insbesondere zum Verkehr mit Mietwagen – in die Kritik geraten ist.

Da die Reform des PBefG weitreichende Folgen für die Organisation der Mobilität in Hamburg haben wird und der Zustimmung des Bundesrats bedarf, gilt es, sich schon jetzt aktiv an dem Diskussionsprozess zu beteiligen.

Ziel einer Neuregelung muss es sein, plattformbasierte Fahrdienste ergänzend zuzulassen und nutzen zu können, um die Mobilität der Zukunft effizient und nachhaltig zu gestalten, ohne die Existenz und die Auslastung des ÖPNV oder des Taxengewerbes zu gefährden. Rechte und Pflichten der verschiedenen Beförderungssparten müssen dabei in einem fairen Verhältnis zueinander stehen und dürfen auf keiner Seite zu einseitigen Belastungen oder Begünstigungen führen. Vor allem muss gewährleistet werden, dass den Beschäftigten aller Mobilitätsanbieter gleichermaßen gute Arbeitsbedingungen, angemessene Bezahlung und soziale Absicherung gewährt werden. Für die großen Städte und die dünn besiedelten Landgebiete sollten unterschiedliche Regelungen möglich sein. Dafür benötigen Städte und Gemeinden Entscheidungsfreiheit. Denn neuartige digitale Mobilitätsanbieter dürfen den bestehenden ÖPNV nicht schwächen und die mobile Daseinsvorsorge nicht gefährden, sie sollen am Ende nicht für mehr Verkehr auf den Straßen sorgen, sondern sie sollen den bestehenden ÖPNV sinnvoll ergänzen und insbesondere in der Fläche ein schnell verfügbares und leistungsstarkes öffentliches Verkehrsangebot ermöglichen.

 

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. sich auf Bundesebene und im Bundesrat im Zusammenhang mit der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) für die Schaffung eines Rechtsrahmens zur Zulassung plattformbasierter On-Demand-Mobilitätsdienste einzusetzen mit dem Ziel,

a) digitale Innovationen in der Mobilität zu fördern und so insbesondere den Einwohnerinnen und Einwohnern von Gebieten mit einer noch ungenügenden Anbindung an den ÖPNV ein schnell verfügbares nachhaltiges Mobilitätsangebot unterbreiten zu können,

b) faire Wettbewerbsbedingungen zwischen kommunalen und privatwirtschaftlichen Anbietern bzw. von herkömmlichen und neuartigen digitalen Mobilitätsangeboten zu schaffen,

c) den Beschäftigten aller Mobilitätsanbieter gute Arbeitsbedingungen, angemessene Bezahlung und soziale Absicherung zu gewähren,

d) die Städte, Kreise und Gemeinden mit einer starken Steuerungsfunktion auszustatten, die ihnen die Entscheidungshoheit über Art und Umfang der Ergänzung bestehender Mobilitätsdienste gibt;

2. Der Bürgerschaft bis zum 31.12. 2019 über die ergriffenen Maßnahmen und ihre Ergebnisse zu berichten.

 

sowie
  • Martin Bill
  • Anna Gallina
  • Farid Müller
  • Dr. Carola Timm
  • Dr. Anjes Tjarks (GRÜNE) und Fraktion