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Stadtplanung von heute für die Stadtentwicklung von morgen (IV): Baugemeinschaften als Anker einer integrierten und sozial stabilen Quartiersentwicklung stärken

Freitag, 18.05.2018

Hamburg hat eine lange Tradition des Wohnungsbaus von Genossenschaften, Stiftungen, kirchlichen und gemeinwohlorientierten Trägern. Genossenschaftliche Selbsthilfe und Engagement von Hamburger Bürgerinnen und Bürgern, die selbst aktiv werden, neue Genossenschaften gründen und – bezogen auf ihr Einkommen – beachtliche Eigenmittel aufbringen, sind hierbei ein tragendes Element.

Baugemeinschaften, vor allem auch genossenschaftlich orientierte, haben sich im Hamburger Wohnungsbau als Baustein für aktive Nachbarschaften fest verankert. Mit großem Engagement setzen sie sich für ältere und junge Haushalte mit Kindern und für ein generationsübergreifendes Zusammenleben sowie eine ökologische Bauweise ein. Durch das Mitwirken an der Projektentwicklung, durch Synergieeffekte und das Einsparen der Gewinnmarge, die ein bei diesen Bauvorhaben entbehrlicher Bauträger kalkuliert hätte, wird zudem meist kostengünstiger gebaut.

Die Gemeinschaften bestehen häufig aus jungen Familien, die sich zusammenschließen, um gemeinsam einen neuen Lebensort entsprechend ihren Bedürfnissen baulich und sozial zu gestalten. Sei es, weil sie die Angebote und die Infrastruktur der städtischen Quartiere nutzen wollen, wenn die Familie Zuwachs bekommt, sei es, weil sie sich das Bauen alleine nicht leisten können und letztlich die Frage im Raum steht, ob sie ins Umland ziehen oder weiterhin in Hamburg bleiben.

Hinzu kommt, dass die Mitglieder der Baugemeinschaften ihr Leben und ihr Lebensumfeld gemeinschaftlich gestalten wollen: Ältere, um sich im Alter besser gegenseitig unterstützen zu können, Familien, um ihre Kinder gemeinschaftlich großzuziehen, Alleinstehende, um mit anderen gemeinsam etwas aufzubauen.

Baugemeinschaften sorgen für soziale Integration und Inklusion, indem sie vielfach besondere Bedarfsgruppen, wie Menschen mit Handicap, Geflüchtete oder Alleinerziehende in ihre Wohnkonzepte einbinden. Durch die gemeinschaftlich getragene solidarische Finanzierung können auch Haushalte mit geringem Einkommen teilhaben.

Die Mitglieder von Baugemeinschaftsgruppen sind im Quartiersleben oft besonders vernetzt, tragen durch ihr soziales Engagement häufig zum sozialen Zusammenleben bei und unterstützen so eine soziale Stabilität innerhalb der neuen oder der Bestandsquartiere.

Seit den 80er Jahren sind in Hamburg mehr als 30 neue Genossenschaften entstanden, deren Mitglieder und Unterstützerinnen und Unterstützer auch einen Beitrag zur Stabilisierung von Sanierungsquartieren geleistet haben. Die Förderung genossenschaftlicher Selbsthilfe durch Baulandbereitstellung und auch mit Eigenkapitalersatz- und Ergänzungsdarlehen ist nach wie vor ein adäquates Instrument, um die sozialen Gemeinschaften in den Quartieren zu stärken. Dabei kommt Bauträgern, die auch langfristig preiswerten Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen sicherstellen, eine besondere Bedeutung zu.

Das gemeinschaftlich organisierte Bauen war und ist durchaus Vorreiter für innovatives und energieeffizientes Bauen, z.B. bei der Anwendung neuer Versorgungstechniken, die Wärme und Strom erzeugen und speichern, aber auch für neue Mobilitätskonzepte. Hinzu kommen Gemeinschaftseinrichtungen, die Aktivitäten wie gemeinschaftliches Gärtnern, Lebensmittelkooperativen oder Kinderbetreuung ermöglichen. Eine Grundlage hierfür ist die freie Wahl von Architektinnen und Architekten mit langjährigen Erfahrungen im gemeinschaftlichen Bauen unter Beteiligung von Baubetreuerinnen und Baubetreuern für die Einhaltung der Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen.

Die Bevölkerungswachstumsprognose von Hamburg zeigt stetig nach oben. Hamburg nimmt mit dem Ziel, 10.000 Baugenehmigungen pro Jahr zu erteilen, bundesweit eine Spitzenposition ein. Seit vielen Jahren gilt in Hamburg die bundesweit beachtete Regelung, dass bei der Vergabe der für den Geschosswohnungsbau zur Verfügung stehenden städtischen Grundstücke in einzelnen Projekten ein hoher Anteil von bis zu 20 Prozent des Geschosswohnungsbaus an Baugemeinschaften vergeben werden sollen. Dabei berät die Agentur für Baugemeinschaften die Gruppen und führt in der Regel die Verfahren der Grundstücksvergabe für Baugemeinschaften nach transparenten Vergabekriterien durch. Auch auf privaten Entwicklungsflächen werden zunehmend Baugemeinschaftsprojekte realisiert, wie beispielsweise in der Mitte Altona.

Derzeit gibt es eine Vielzahl von Stadtentwicklungsprojekten wie u.a. in Bahrenfeld, Bergedorf, Wilhelmsburg, Barmbek, Neugraben, die in den nächsten Jahren vor der Realisierung stehen. Ziel des Senates ist es, hier 20 Prozent der Wohnungen im Ge-schosswohnungsbau in gemeinschaftlichen Formen errichten zu lassen. Zukünftig wird es weitere Großvorhaben geben wie die Entwicklung des Kleinen Grasbrooks oder Mitte Altona II. Hierbei ist es wichtig, die Interessen von Baugemeinschaften frühzeitig zu berücksichtigen, um deren besondere Bedarfe integrieren zu können. Baugemeinschaften können einen wesentlichen Beitrag dazu liefern, dass sich in den großen Wohnungsbauvorhaben in Bergedorf, Wilhelmsburg, Harburg und Altona sozial gemischte Quartiersstrukturen entwickeln.

Die seit 2007 stark steigenden Bau- und Grundstückskosten erschweren einen Erwerb von Grundstücken und haben den Eigenkapitalbedarf stark erhöht. Die Vergabe von Grundstücken im Erbbaurecht ist daher ein probates Mittel, um insbesondere Projekte, die auch zahlreiche Mitglieder mit Wohnberechtigungsschein und geringen Einkommen aufnehmen, zu unterstützen und wohnungspolitische Bindungen langfristig abzusichern. Diese genossenschaftlichen Baugemeinschaften, die dauerhaft preiswerten Wohnraum für Mitglieder mit Wohnberechtigungsschein sichern, wollen wir besonders fördern, zumal sie einen Beitrag leisten können, den Wohnungsmarkt langfristig zu stabilisieren.

 

 

Die Bürgerschaft möge beschließen,

Der Senat wird gebeten,

1. sicherzustellen, dass bei der Entwicklung der großen Wohnungsbauvorhaben, wie beispielsweise in Wilhelmsburg, Altona, Bergedorf und Harburg der angestrebte Anteil von 20 Prozent im Geschosswohnungsbau für Baugemeinschaften erreicht wird. Bei jedem größeren Stadtentwicklungsvorhaben ist aus stadtentwicklungs- und wohnungspolitischen Gründen zu prüfen, grundsätzlich zusammenhängende Bauareale für genossenschaftliche Baugemeinschaften vorzuhalten. Hierbei sind Erfahrungen aus anderen Städten bei der Realisierung größerer Baugemeinschaftsprojekte wie beispielsweise in Zürich-Kalkbreite und Hunziker Areal zu berücksichtigen, um dieses Ziel zu unterstützen;

2. sicherzustellen, dass Kleingenossenschaften aufgrund ihrer besonderen Rolle auf dem Wohnungsmarkt bei der Realisierung ihrer Projekte in besonderem Maße unterstützt und mit einem überwiegend hohen prozentualen Anteil der für den Geschosswohnungsbau zur Verfügung stehenden städtischen Grundstücke für Baugemeinschaften berücksichtigt werden;

3. sicherzustellen, dass die Vergabe von Grundstücken an Baugemeinschaften grundsätzlich im Erbbaurecht erfolgen kann;

4. die Förderbedingungen für kleingenossenschaftliche Baugemeinschaften mit ihren spezifischen Eigenkapitalanforderungen dahingehend zu überprüfen, inwieweit diese noch bedarfsgerechter gestaltet bzw. angepasst werden müssen. Hierbei sind besonders ihre wohnungspolitischen Leistungen zu berücksichtigen;

5. gemeinsam mit den zuständigen städtischen Entwicklungsgesellschaften und Dienststellen das Vermarktungskonzept für Baugemeinschaften, das auf das jeweilige Stadtentwicklungsprojekt vor Planungsbeginn justiert werden kann, weiter zu entwickeln und umzusetzen;

6. sicherzustellen, dass im Rahmen der Beteiligungsverfahren für das jeweilige Stadtentwicklungsvorhaben vor Planungsbeginn die relevanten Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter der Baugemeinschaften beteiligt werden und

7. der Bürgerschaft bis zum 1. Quartal 2019 zu berichten.

 

sowie
  • Olaf Duge
  • Dr. Stefanie von Berg
  • Mareike Engels
  • Anna Gallina
  • René Gögge
  • Farid Müller (GRÜNE) und Fraktion