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Überwachung ehemaliger Sicherungsverwahrter weiter ermöglichen

Mittwoch, 22.01.2014

Neufassung

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat Ende des Jahres 2013 die bisherige Überwachung eines ehemals Sicherungsverwahrten für unzulässig erklärt (Az.: 13 K 1715/13). Der Betroffene war nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung (BVerfG, 2 BvR 2365/09 vom 04.05.2011) im Februar 2012 aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden und wird seitdem durch die Polizei ständig begleitet.

In seinen Urteilsgründen kommt das Verwaltungsgericht zu der Feststellung, für eine dauerhafte polizeiliche Beobachtung zur Gefahrenabwehr des ehemals sicherungsverwahrten Klägers bestehe keine gesetzliche Grundlage. Die Vorschrift zur planmäßig angelegten Beobachtung des § 9 Absatz 1 Nr. 2 des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (HmbPolDVG) scheide dabei als Rechtsgrundlage aus. Zudem könne auch kein Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel des § 3 Absatz 1 SOG erfolgen. Die durchgeführte Dauerobservation stelle vielmehr eine neue Maßnahme der Gefahrenabwehr dar, die einer gesonderten gesetzlichen Grundlage bedürfe.

Zum Schutz der Bevölkerung vor weiterhin als gefährlich eingestuften und aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung entlassenen ehemaligen Sicherungsverwahrten muss auch zukünftig die Möglichkeit einer langfristigen Überwachung dieser Personen gegeben sein.

 

Die Bürgerschaft möge daher folgendes Gesetz beschließen:

 

Neuntes Gesetz

zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung

Vom …

 

Das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vom 14. März 1966 (HmbGVBl. S. 77), zuletzt geändert am 4. Dezember 2012 (HmbGVBl. S. 510, 518), wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird hinter dem Eintrag zu § 12b folgender Eintrag eingefügt:

„§ 12c Polizeiliche Begleitung“.

2. 2. Hinter § 12b wird folgender § 12c eingefügt:

㤠12c Polizeiliche Begleitung

(1) Eine Person darf von der Polizei begleitet werden, wenn

1. die Person wegen einer vor dem 31. Januar 1998 begangenen, gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung gerichteten Straftat in der Sicherungsverwahrung untergebracht worden war und sich für die Dauer von mehr als zehn Jahren in der Sicherungsverwahrung befunden hat und

2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen wird und die Maßnahme zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich ist.

Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. Der Kernbereich privater Lebensgestaltung ist zu wahren.

(2) Die Maßnahme nach Absatz 1 kann unabhängig davon angeordnet werden, ob die verurteilte Person

1. sich noch im Vollzug der Sicherungsverwahrung befindet,

2. noch gemäß § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305), geändert am 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2425, 2430), in der jeweils geltenden Fassung untergebracht oder

3. aus dem Vollzug der Unterbringungsformen nach der Nummer 1 oder 2 bereits entlassen worden ist.

(3) Die Maßnahme nach Absatz 1 darf nur vom Polizeipräsidenten oder von seinem Vertreter im Amt, bei Gefahr im Verzug auch vom Polizeiführer vom Dienst angeordnet werden. Die Anordnung ist aktenkundig zu machen. Aus der Anordnung müssen sich

1. Art, Beginn und Ende der Maßnahme,

2. an der Durchführung beteiligte Personen,

3. Tatsachen, die den Einsatz der Maßnahme begründen,

4. Zeitpunkt der Anordnung und Name sowie Dienststellung des Anordnenden

ergeben.

(4) Die Anordnung der Maßnahme ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Die Verlängerung dieser Anordnung um jeweils nicht mehr als zwei Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen.“

 

Begründung:

Die dauerhafte begleitende Observation stellt einen nicht unerheblichen Eingriff in die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (Art. 2 Absatz 1 i.V.m. Art. 1 Absatz 1 GG). Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, ist der Tatbestand des § 12c Absatz 1 in Nummer 1 hinsichtlich des betroffenen Personenkreises eng ausgestaltet. Durch die Eingrenzung der Straftaten auf schwerste Gewalt- und Sexualstraftaten, auf welche sich die nach § 12c Absatz 1 Nummer 2 zu erstellende Prognose bezieht sowie der damit verbundene bezweckte Schutz bedeutsamer Rechtsgüter wie Leib, Leben und sexuelle Selbstbestimmung wird dem Bestimmtheitsgrundsatz genüge getan.

Die nach § 12c Absatz 1 Nummer 2 zu treffende Prognoseentscheidung ist in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen. Dies wird durch die zeitliche Befristung der Maßnahme nach § 12c Absatz 4 Satz 1 sowie durch das mit einer möglichen Verlängerung verknüpfte Erfordernis des Fortbestehens der Anordnungsvoraussetzungen nach § 12c Absatz 4 Satz 2 sichergestellt. Zudem muss auch in der Anordnung der Maßnahme das Ende derselben aktenkundig gemacht werden. Bei Wegfall der Anordnungsvoraussetzungen ist die Maßnahme in jedem Fall unverzüglich zu beenden.

Durch die Regelung des § 12c Absatz 2 soll sichergestellt werden, dass es zu keinen zeitlichen Lücken in der Überwachung kommt.

Zur weiteren verfahrensrechtlichen Sicherung setzt die Maßnahme grundsätzlich eine Anordnung durch den Polizeipräsidenten oder seinen Vertreter im Amt sowie eine detaillierte Aktenkundigmachung voraus.

Mit der Einführung diesen neuen § 12c wird auch den Hinweisen des Verwaltungsgerichts Hamburg aus seinem aktuellen Urteil (Az.: 13 K 1715/13) angemessen Rechnung getragen.