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Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge

Mittwoch, 13.09.2023

Die 1906 fertiggestellte Synagoge am Bornplatz zählte zu den größten Synagogen Deutschlands. Die Bornplatzsynagoge war die erste freistehende Hamburger Synagoge und stand inmitten des jüdischen Wohngebiets im Grindelviertel. Sie bildete das religiöse, kulturelle und gesellschaftliche Zentrum der Jüdischen Gemeinde in Hamburg und bot 1.200 Menschen Platz.

Während der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft wurde die Synagoge im Novemberpogrom 1938 geschändet und ihre Inneneinrichtung zerstört. Zwei Tage später wurde im Inneren Feuer gelegt. 1939 wurde die Gemeinde von der Stadt gezwungen, das Grundstück unter Wert zu verkaufen und die Kosten für den anschließenden Abriss des beschädigten Gebäudes zu tragen. Ein zentraler Ort des jüdischen Lebens in Hamburg ging verloren. Einen Teil der Grundstücksfläche nutzten die Nationalsozialisten, um während des Zweiten Weltkriegs einen Hochbunker zu errichten. 10.000 jüdische Hamburger:innen verloren in der Shoah ihr Leben.

Nur wenige Monate nach dem Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft gründeten jüdische Hamburger:innen am 18. September 1945 die Jüdische Gemeinde wieder. Auch nach der Shoah entschieden sie sich, in Hamburg zu bleiben und die Gemeinde neu aufzubauen. Seitdem hat sich das jüdische Leben in Hamburg entwickelt: Die neue Synagoge an der Hohen Weide konnte 1960 eingeweiht werden, die Josef-Carlebach-Schule in der ehemaligen Talmud-Tora-Schule nahm 2007 ihren Betrieb auf. 2018 wurden in Hamburg erstmals wieder Rabbiner ordiniert. Heute zählt die Jüdische Gemeinde in Hamburg als Körperschaft des öffentlichen Rechts über 2.300 Mitglieder. Es gibt ein aktives jüdisches Leben, das orthodoxe und liberale Glaubensströmungen umfasst.

Die Hamburgische Bürgerschaft ist stolz auf die Beiträge der jüdischen Mitbürger:innen zur Hamburgischen Geschichte und Gegenwart und möchte die positiven Entwicklungen auch vor dem Hintergrund der historischen Verantwortung der Stadt weiter unterstützen.

In der Jüdischen Gemeinde und in der Stadtgesellschaft ist der Wunsch entstanden, die Bornplatzsynagoge wiederaufzubauen. Der Senat und die Hamburgische Bürgerschaft haben bereits 2020 ihre Unterstützung für dieses Vorhaben erklärt. Mit der Drs. 21/19916 fasste die Bürgerschaft im Februar 2020 einen einstimmigen Beschluss, in dem sie sich zu dem Ziel bekannte, „das jüdische Leben in Hamburg sichtbarer zu machen und […] die Forderung nach Wiedererrichtung einer repräsentativen Synagoge am ehemaligen Standort der Bornplatzsynagoge“ zu unterstützen.

Die Jüdische Gemeinde in Hamburg hat daraufhin zwischen 2021 und 2022 mit Unterstützung des Senats sowie auf der Grundlage einer Zuwendung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat in einem ersten Schritt eine Machbarkeitsstudie zur Untersuchung dieses Vorhabens durch das renommierte Architekturbüro „Wandel Lorch Götze Wach“ erstellen lassen. Der Senat und seine Fachbehörden sowie das Bezirksamt Eimsbüttel haben die Jüdische Gemeinde und das Architekturbüro bei der Erstellung dieser Studie umfassend beraten und unterstützt.

Die Machbarkeitsstudie wurde Anfang September 2022 in der Landespressekonferenz durch die Jüdische Gemeinde in Hamburg, den Ersten Bürgermeister, die Zweite Bürgermeisterin sowie die Präsidentin der Bürgerschaft vorgestellt. Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass der Wunsch der Jüdischen Gemeinde und der Stadtgesellschaft eines Wiederaufbaus der Bornplatzsynagoge machbar ist. Der Masterplan der Studie, eine von fünf untersuchten Varianten, sieht unter Berücksichtigung des heutigen Raumprogramms und der Bedarfe der Jüdischen Gemeinde die Errichtung des Synagogenbaus auf dem alten Grundriss in vergleichbarer baulicher Kubatur sowie einen angrenzenden Baukörper vor, der Räume für den Gemeindebetrieb und einen Synagogenraum für den liberalen Ritus enthält.

Der Masterplan der sorgfältig erarbeiteten Studie zeigt, dass die Bornplatzsynagoge wieder ein Wahrzeichen des jüdischen Lebens im Herzen unserer Stadt werden kann. Mit dem Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge kann erneut ein Zentrum jüdischer Religion und Kultur und ein offener Ort für Gebete, Feste und Begegnungen im Grindelviertel entstehen, das sich zugleich zum Stadtteil öffnet und neue öffentlichkeitswirksame Nutzungen sowie neue stadt- und freiräumliche Qualitäten anbieten wird. Die konkrete bauliche Gestalt des durch den Masterplan der Machbarkeitsstudie umrissenen Vorhabens ist nun durch einen städtebaulich-architektonischen Wettbewerb zu ermitteln. Auf der Grundlage einer Zuwendung und der fachlichen Beratung durch den Senat hat die Jüdische Gemeinde bereits ein erfahrenes Planungsbüro beauftragt, das den anstehenden architektonischen Wettbewerb planen und fachlich begleiten wird. Nach den aktuellen Plänen sollen wesentliche Teile dieses Wettbewerbs noch in diesem Jahr durchgeführt werden.

Über den architektonischen Wettbewerb hinaus sind nach den Erkenntnissen des Senats, den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie sowie nach dem Willen der Jüdischen Gemeinde eine Reihe weiterer Schritte erforderlich, um das Vorhaben zu verwirklichen, die zum Teil bereits in Vorbereitung sind:

Vor dem Hintergrund der Geschichte des Ortes ist durch eine sondierende archäologische Baugrunduntersuchung zu ermitteln, ob und in welchem Umfang sich unterhalb des heutigen Josef-Carlebach-Platzes bauliche Überreste der ehemaligen Bornplatzsynagoge befinden, damit diese Erkenntnisse in die Entwürfe des architektonischen Wett-bewerbsverfahren einbezogen werden können.

Wie der Masterplan der Machbarkeitsstudie eindrucksvoll zeigt, kann der Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge nur gelingen, wenn der während des Zweiten Weltkriegs auf Teilen des Grundstücks errichtete Hochbunker vollständig zurückgebaut wird. Damit würde zugleich die Vertiefung des Unrechts beendet werden, das die Nationalsozialisten durch die Errichtung dieses Hochbunkers auf Teilen des Baugrunds der abgebrochenen Synagoge verursacht haben.

Vor allem ist das Eigentum an dem für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge erforderlichen Grundstück der Jüdischen Gemeinde in Hamburg zu übertragen. Die Synagoge am Bornplatz befand sich bis zu ihrer Schändung, Zerstörung und dem erzwungenen Abbruch während der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft auf dem Grundstück, das heute den Josef-Carlebach-Platz umfasst (Flurstück 1593, vgl. zur räumliche Lage des Grundstücks geoportal-hamburg.de und die Machbarkeitsstudie unter www.jghh.org Seite 226 bis 223). Zu dem Grundstück der ehemaligen Synagoge gehörte ferner der Bereich, auf dem während der NS-Herrschaft der Hochbunker errichtet wurde (heutiges Flurstück 1566, das vollständig von dem Flurstück 1593 umfasst ist). Beide Flurstücke stehen in Folge des Unrechts der NS-Herrschaft im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg. Durch eine Rückübertragung des Eigentums würden die historisch rechtmäßigen Eigentumsverhältnisse wiederhergestellt werden, ähnlich wie es bereits durch die unentgeltliche Übereignung des Grundstücks der Talmud Tora-Schule im Grindelhof 30 an die Jüdische Gemeinde im Jahr 2004 erfolgt ist (vgl. Drs. 17/1368), in dem die Jüdische Gemeinde seit 2007 das Josef-Carlebach-Bildungshaus mit Schule und Kita betreibt. Die Eigentumsübertragung ist durch entsprechende Beschlüsse der Bürgerschaft nach Artikel 72 Absatz 6 Satz 4 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg sowie nach § 63 Absatz 3 Satz 2 Variante 4 der Landeshaushalts-ordnung zu gestatten. Die Eigentumsübertragung sollte indessen zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem der Rückbau des Hochbunkers abgeschlossen ist, um die Jüdische Gemeinde in Hamburg hiermit nicht zu belasten. Die erforderlichen Beschlüsse der Bürgerschaft können durch den Senat mit der Maßgabe vorbereitet werden, dass die Eigentumsübertragung in einem insofern geeigneten Zeitpunkt zivilrechtlich vollzogen wird.

Für die Durchführung der unterschiedlichen Phasen des architektonischen Wettbewerbs ist die Jüdische Gemeinde auf eine finanzielle Unterstützung durch die Freie und Hansestadt Hamburg und den Bund angewiesen, um diesen Wettbewerb im laufenden und im kommenden Jahr erfolgreich abschließen zu können. Nach ersten Planungen wird sich der Wettbewerb in die Erarbeitung des architektonischen Entwurfs in zwei Phasen, das Preisgericht über den Entwurf sowie den Beginn des anschließenden Verhandlungsverfahrens über die nächsten Leistungsphasen gliedern. Hieran schließen sich voraussichtlich die Erstellung der Fachplanungen sowie die konkrete Kostenberechnung der Bauausführung an. Erst hiernach werden die für die konkrete Bauausführung erforderlichen Finanzierungsbedarfe feststehen.

Für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge ist ferner die rechtzeitige Schaffung der planungsrechtlichen Grundlagen erforderlich. Das zuständige Bezirksamt Hamburg-Eimsbüttel hat deshalb in enger Abstimmung mit dem Senat bereits jetzt das Bebauungsplanverfahren Rotherbaum 39 als planungsrechtliche Grundlage eingeleitet. Anfang Mai ist bereits die Aufstellungsinformation im Stadtplanungsausschuss erfolgt. Anfang Juni wurde die Grobabstimmung mit allen Fachbehörden durchgeführt. Die erforderlichen planungsrechtlichen Verfahren sollen fortgesetzt werden.

 

Vor diesem Hintergrund möge die Hamburgische Bürgerschaft beschließen:

Der Senat wird ersucht,

die Jüdische Gemeinde in Hamburg weiterhin bei dem Vorhaben zur Wiedererrichtung der Bornplatzsynagoge zu unterstützen und hierbei insbesondere

1. die Ergebnisse der archäologischen Baugrunduntersuchung des Josef-Carlebach-Platzes für die Gestaltung des architektonischen Wettbewerbsverfahrens bereitzustellen,

2. die unentgeltliche Übertragung des Eigentums der Flurstücke 1566 und 1593 der Gemarkung Rotherbaum an die Jüdische Gemeinde in Hamburg, Körperschaft des Öffentlichen Rechts, durch Einholung der nach Artikel 72 Absatz 6 Satz 4 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg sowie nach § 63 Absatz 3 Satz 2 Variante 4 der Landeshaushaltsordnung erforderlichen Beschlüsse der Hamburgischen Bürgerschaft vorzubereiten und zu einem Zeitpunkt zivilrechtlich zu vollziehen, in dem der erforderliche Rückbau des Hochbunker auf dem Flurstück 1566 der Gemarkung Rotherbaum erfolgt ist und der Bau der Synagoge erfolgen kann,

3. die Jüdische Gemeinde und die Stiftung Bornplatzsynagoge bei der Durchführung des architektonischen Wettbewerbsverfahrens weiterhin zu unterstützen und gemeinsam und in Abstimmung mit dem Bund die hierfür erforderlichen Mittel im Wege von Zuwendungen bereitzustellen,

4. den im Zweiten Weltkrieg auf dem heutigen Flurstück 1566 der Gemarkung Rotherbaum errichteten Hochbunker vollständig zurückbauen zu lassen,

5. die Schaffung der planungsrechtlichen Grundlagen für die Umsetzung des Vorhabens in Form des Bebauungsplanverfahren Rotherbaum 39 fortzusetzen,

6. die für eine wirksame Umsetzung der Ziffern 1 bis 5 gegebenenfalls erforderlichen Haushaltsmittel im Wege der Nachbewilligung nach § 35 der Landeshaushaltsordnung zu beantragen und

7. der Bürgerschaft bis zum 31. Dezember 2023 zum Sach- und Verfahrensstand zu berichten.

 

sowie
  • Michael Gwosdz
  • Filiz Demirel
  • Mareike Engels
  • Linus Görg
  • Dr. Adrian Hector
  • Britta Herrmann
  • Sina Aylin Koriath
  • Christa Möller-Metzger
  • Dr. Gudrun Schittek
  • Yusuf Uzundag
  • Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion und der Abgeordneten Dennis Thering
  • Dr. Anke Frieling
  • Richard Seelmaecker
  • Dennis Gladiator
  • André Trepoll (CDU) und Fraktion (CDU) und Fraktion und der Abgeordneten Insa Tietjen
  • Cansu Özdemir
  • Sabine Boeddinghaus
  • David Stoop
  • Heike Sudmann (DIE LINKE) und Fraktion