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zu Drs. 20/11063 ÖPNV-Strategie Hamburg 2030: Bahn frei für den langfristigen Schienenverkehrsausbau

Mittwoch, 26.03.2014

Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) nimmt im Bundesvergleich regelmäßig eine Spitzenstellung ein, sowohl in Bezug auf die Kundenzufriedenheit, als auch bei der Angebotsbewertung. Die Fahrgastzahlen steigen seit Jahren überdurchschnittlich an. Immer mehr Menschen bevorzugen den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gegenüber dem PKW oder wechseln zwischen unterschiedlichen Verkehrsträgern. Hamburg und die

Metropolregion reagieren darauf mit kontinuierlichen Angebotserweiterungen wie zuletzt der S3 nach Stade, der Flughafen-S-Bahn sowie der U4. Auch das Busnetz wird kontinuierlich erweitert, so gab es in 2012 die größte Angebotsausweitung seit Einführung der Metrobusse.

Umfassendes Mobilitätsprogramm mit kurz- und mittelfristigen Maßnahmen bis zum Jahre 2025

Zur kurz- und mittelfristigen Weiterentwicklung des ÖPNV-Netzes bis in die 20er Jahre sind von Senat und Bürgerschaft die strategischen Entscheidungen getroffen und in dem alle Verkehrsträger umfassenden Mobilitätsprogramm Hamburg ausführlich dargestellt:

- Erweiterung des U- und S-Bahn-Netzes: S4 nach Bad Oldesloe und S21 nach Kaltenkirchen sind auf den Weg gebracht, die U4 wird bis zu den Elbbrücken verlängert, für Ottensen und die Elbbrücken sind neue S-Bahn-Haltepunkte in Planung.

- Neuer S-Bahn-Vertrag ab 2018: Lieferung und Einsatz neuer S-Bahnzüge mit neuester Fahrzeug- und Sicherheitstechnik, Option von Leistungsausweitungen (z.B. S32).

- Umfassende Modernisierung, Ausweitung und Optimierung des Bussystems: kürzere Reisezeiten und verbesserte Pünktlichkeit, Erhöhung der Beförderungskapazitäten und damit Anpassung an das gestiegene Fahrgastaufkommen, Komplettumstellung auf emissionsfreie Fahrzeugflotte, Bau barrierefreier Haltestellen.

- Umfassendes Investitionsprogramm für einen flächendeckenden barrierefreien Ausbau der S- und U-Bahnhaltestellen bis zum Jahr 2020.

- Erleichterung des Umstiegs auf den ÖPNV: Aufwertung und Ausweitung von Park-and-Ride, Bike-and-Ride sowie Entwicklung der SwitchHH-Mobilitätspunkte.

- Zur weiteren Stärkung des ÖPNV in Hamburg wurden deutliche Verbesserungen und ein Ausbau der Angebotsleistungen auf den vorhandenen und auf neuen Linien im gesamten System von Schiene, Bus und Fähre vorgenommen.

Viele dieser Entscheidungen waren seit Jahren überfällig. Sie wurden allerdings u.a. durch die immer wieder stockenden Planungen zu der dann doch letztendlich vom CDU-Vorgängersenat gestoppten und damit nicht erfolgten Einführung der Stadtbahn blockiert. Mit dem vom Senat 2013 nun vorgelegten Mobilitätsprogramm wurden diese, für die Verkehrsentwicklung in Hamburg bis zum Jahre 2020 wichtigen Projekte, gebündelt.

Gleichzeitig wurde die notwendige Finanzierung der Projekte gesichert. Dies stellt für Hamburg einen enormen finanziellen Kraftakt dar – zusätzliche Mittel können angesichts der bekannten haushaltspolitischen Rahmenbedingungen dem Verkehrsbereich nicht zur Verfügung stehen. Jedes neue Projekt für die kurz- und mittelfristige Perspektive könnte nur unter Zurückstellung/Streichung anderer bereits fortgeschrittener Projekte in Angriff genommen werden. Das können wir nicht verantworten.

ÖPNV-Strategie für 2030

Doch Hamburgs ÖPNV-Entwicklung endet nicht 2020 oder 2025. Noch in dieser Dekade sind unter Berücksichtigung der Metropolregion die langfristigen Strategien für den öffentlichen Nahverkehr in Hamburg für den Zeitraum ab dem Jahr 2020/2025 zu entwickeln.

Die langfristige Entwicklung des ÖPNV in Hamburg muss daher jetzt vorbereitet werden. Dafür sind zunächst die entsprechenden Grundlagen zu schaffen. Der SPD-Senat hat sich zur Aufgabe gemacht, die Verkehrsentwicklung in unserer Stadt wieder auf ein solides Fundament zu stellen. Daher wird erstmals seit 2000 wieder ein Verkehrsentwicklungsplan (VEP) für unsere Stadt erarbeitet, dabei werden Senat und Fachbehörden durch den Mobilitätsbeirat unterstützt.

Das im vergangenen Jahr 2013 vorgelegte Mobilitätsprogramm ist in diesem Zusammenhang eine wichtige Vorstufe für den VEP. Eine Aufgabe des VEP ist, die Netzentwicklung und -ergänzung im schienengebundenen Nahverkehr zu überprüfen. Hierunter fällt zum einen die Prüfung neuer Linien und Haltestellen, die zur Zeit unter anderem von der Hamburger Hochbahn durchgeführt wird. Zum anderen gilt es, frühzeitig Trassen für den schienengebundenen Nahverkehr festzulegen und zu sichern.

Die Debatte um die Weiterentwicklung des ÖPNV ideologiegeleitet auf einzelne Verkehrsträger zu reduzieren, ist nicht der richtige Weg. Hamburg braucht eine moderne und zukunftsfähige Mobilität, die zügig, komfortabel und umweltfreundlich funktioniert. Unabhängig davon, ob man mit Bus, Fähre oder Bahn unterwegs ist. Wesentliche Aufgaben sind der Ausbau der Kapazitäten (engere Taktung, neue Linien), die Erleichterung des Umstiegs auf den ÖPNV (P+R, B+R, Barrierefreiheit, E-Ticketing) und eine nachfragegerechte Angebotsplanung.

Gut ist, dass es schon heute in Hamburg – neben den Verkehrsexperten – eine breite gesellschaftliche Zustimmung zur Notwendigkeit des weiteren Ausbau des Schienenverkehrs gibt. Senat und Bürgerschaft folgen diesem aktuell mit den oben skizzierten großen Schienenausbauprojekten. Die weiteren langfristigen Entwicklungsstrategien müssen dabei u.a. die verkehrlichen Potentiale, die Finanzierungsmöglichkeiten, die begrenzten städtischen Verkehrsräume, die örtliche Akzeptanz, aber auch strategische Stadtentwicklungspotentiale im Zuge einer weiter wachsenden Stadt berücksichtigen.

Dabei muss allen Beteiligten klar sein: Investitionen in die Schieneninfrastruktur sind nicht nur sehr langfristig wirkende Investitionen, sie bedürfen zudem – gerade vor dem Hintergrund dieser Langfristigkeit und der sehr großen Finanzierungsvolumina, der damit verbundenen Abwägungsprozesse hinsichtlich Nichtinvestitionen an anderer Stelle, der Vielzahl der Beteiligten sowie Betroffenen und damit verbundener breiter Abstimmungs- und Beteiligungsprozesse – langfristiger und nicht kurzfristiger Entscheidungsprozesse. Dieses belegt auf dramatische Weise das vom schwarz-grünen Vorgängersenat betriebene Vorgehen zur kurzfristigen Einführung einer Stadtbahn. Dieser hat nicht nur zu erheblichen Problemen im Planungs- und Finanzierungsprozess und bei der Akzeptanz des Vorhabens geführt, er hat zudem längst überfällige Entscheidungen im Bereich barrierefreier Ausbau des ÖPNV und neuer S-Bahnstrecken nach Ahrensburg (S4) und Kaltenkirchen (S21) verhindert. Auch die Entscheidung über Verlängerung der U4 bis zu den Elbbrücken wurde so lange verzögert, dass die Tunnelbohrmaschine abgebaut wurde und die Baustelle neu eingerichtet werden musste.

Daher muss es jetzt – nachdem in dieser Legislaturperiode im Rahmen des Mobilitätsprogramms Hamburg die wichtigen Verkehrsinvestitionen bis 2020/2025 bereits festgelegt wurden – die Aufgabe sein, eine Strategie für den ÖPNV für den Zeitraum nach 2020/2025 mit dem Ziel zu entwickeln, einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber herzustellen. Dabei soll und darf nicht die kurzfristige politische Profilierung, sondern die langfristige Gewährleistung einer nachhaltigen Mobilität und Entwicklung Hamburgs für die 30er und 40er Jahre dieses Jahrhunderts im Vordergrund stehen.

Hamburg kann in diesem Prozess auf die Erfahrung der leistungsfähigen städtischen Verkehrsunternehmen zurückgreifen. So untersucht und analysiert bzw. beobachtet die Hamburger Hochbahn seit Jahren die Verkehrsentwicklung in Hamburg und in anderen Regionen Deutschlands und Europas. Die aktuellen Untersuchungen unter anderem der Hochbahn über eine sinnvolle Erweiterung des Schnellbahnnetzes sowie mittelfristig der neue Verkehrsentwicklungsplan werden dazu beitragen, den strategischen Entscheidungsprozess für die Weiterentwicklung des ÖPNV-Angebotes in Hamburg zu unterstützen.

 

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. ein Konzept mit dem Ziel eines breiten gesellschaftlichen Konsens über die in den 20er Jahren zu realisierenden ÖPNV-Maßnahmen zu entwickeln, das damit auch über mehrere Legislaturperioden hinaus Wirkung und Verlässlichkeit entfalten kann. Die Federführung übernimmt die für den Verkehrsbereich zuständige Fachbehörde unter Einbeziehung des Mobilitätsbeirates.

2. dabei die schon heute in Hamburg bestehende breite gesellschaftliche Zustimmung zur Notwendigkeit des weiteren Ausbau des Schienenverkehrs zu beachten. Schon heute vorgelegte Überlegungen, wie z.B. von der Handelskammer, aus dem politischen Bereich und von einzelnen Verkehrsunternehmen sind in dem Erarbeitungs- und Beteiligungsprozess einzubeziehen.

3. beim weiteren Ausbau des ÖPNV in Hamburg bis 2030 u.a. die verkehrlichen Potentiale, die Finanzierungsmöglichkeiten, die begrenzten städtischen Verkehrsräume, die örtliche Akzeptanz, rechtliche Widersprüche, aber auch strategische Stadtentwicklungspotentiale im Zuge einer weiter wachsenden Stadt zu berücksichtigen.

4. die Ergebnisse der Hamburgischen Bürgerschaft bis zum Jahre 2016 vorzulegen, um so die erforderlichen bürgerschaftlichen Beschlüsse zur Erteilung der ersten Planungsaufträge für die in den 20er Jahren zu realisierenden Maßnahmen zu erteilen. Erste Bausteine/Zwischenschritte sollen der Bürgerschaft schon vorher, zum Ende dieser bzw. zu Beginn der neuen Wahlperiode, zur Beratung vorgelegt werden.