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zu Drs. 21/8318 Gesichtsverhüllung bei Ausübung öffentlicher Funktionen und in relevanten öffentlichen Institutionen

Mittwoch, 29.03.2017

Unser gesellschaftliches Zusammenleben baut auf offener Interaktion und Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern auf. Im Verhältnis von Bürgerinnen und Bürgern zu den staatlichen Institutionen ist ein offener Austausch unerlässlich. Ausdruck unserer freien Gesellschaft ist es, Meinungen und Verhaltensweisen auszuhalten, die nicht der Auffassung der gesellschaftlichen Mehrheit entsprechen. Die verfassungsrechtlich verbrieften Freiheitsrechte müssen respektiert werden. Sie haben indes dort ihre Grenzen, wo sie mit den Grundrechten anderer Menschen oder mit den in der Verfassung begründeten staatlichen Aufgaben nicht mehr in Einklang zu bringen sind. In vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und der Strafverfolgungsbehörden, aber auch im Bereich der Bildung kommt es oftmals sowohl auf die Identifizierbarkeit einer Person, aber teilweise auch auf deren Mimik im kommunikativen Austausch an. Eine Gesichtsverhüllung steht in solchen bereichsspezifischen Fällen dem entgegen. Der Staat muss entsprechend handeln können, um eine ordnungsgemäße Wahrnehmung seiner Aufgaben sicherzustellen.

Bislang gab es in Hamburg nur sehr wenige Einzelfälle im Zusammenhang mit der Gesichtsverhüllung in öffentlichen Institutionen, die aber mit einer klaren staatlichen Haltung und unter Anwendung der geltenden Vorschriften einer sachgerechten Lösung zugeführt werden konnten. Das war immer wieder Gegenstand bürgerschaftlicher Beratungen. So hat beispielsweise die Schulbehörde das Verbot einer vollständigen Gesichtsverhüllung durch Lehrkräfte und Schülerinnen klar kommuniziert und dieses im Einzelfall auch konsequent durchgesetzt. Bislang hat der rechtliche Rahmen mithin durchaus ausgereicht, um vollständige Gesichtsverhüllungen in sensiblen öffentlichen Bereichen zu verhindern.

Die Debatte um ein Verbot von Gesichtsverschleierungen wird quer durch Europa in regelmäßigen Abständen geführt. Zum Teil geschieht dies auf Basis real existierender Problemlagen, häufig aber auch ohne konkreten Anlass und mit populistischer Motivation. Gesetzgeberisches Handeln gerade in diesem sensiblen Feld muss aber immer von konkreten Handlungsnotwendigkeiten zur Lösung real bestehender Problemlagen getragen sein.

Hamburg hat sich in diese bundesweiten Diskussionen bereits frühzeitig gemeinsam mit Schleswig-Holstein mit einem Antrag im Bundesrat eingebracht, den die Länderkammer im September 2016 beschlossen hat (BR-Drs 341/16). Nunmehr hat die Bundesregierung im Februar 2017 mit der BT- Drs. 18/11180 einen Gesetzentwurf zu begrenzten bereichsspezifischen Regelungen in den Deutschen Bundestag eingebracht, der aktuell im Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene ist. Mit Vorschriften für verschiedene staatliche Handlungsfelder soll damit einerseits das staatliche Neutralitätsgebot gewahrt (u.a. durch beamtengesetzliche Regelungen) und andererseits Identifizierungspflichten durchgesetzt werden (u.a. Änderungen des Personalausweisgesetzes und des Aufenthaltsgesetzes). In den Bereichen, in denen Hamburg für die Durchführung bundesgesetzlicher Vorschriften zuständig ist, so beispielsweise im Bereich der Ausweisvergabe und des Aufenthaltsgesetzes, werden sich naturgemäß auch entsprechende Änderungen auf Bundesebene unmittelbar auswirken. Auch das Beamtenstatusgesetz und das dort mit dem aktuellen Gesetzesentwurf verbundene normierte Verhüllungsverbot werden auch in Hamburg entsprechende Anwendung finden.

Inwieweit z.B. aus Gründen gesetzlicher Klarstellung für darüber hinausgehendes, in den Zuständigkeitsbereich Hamburgs fallendes gesetzgeberisches Handeln eine reale Notwendigkeit besteht, wird sorgfältig entlang der Maßgaben des neuen Bundesrechts zu prüfen sein; es ist Gegenstand des nachfolgenden Ersuchens an den Senat.

Die Bürgerschaft möge beschließen:

I. Die Bürgerschaft

1. lehnt eine Gesichtsverhüllung in relevanten, sensiblen öffentlichen Funktionen /

öffentlichen Institutionen ab,

2. unterstützt den Senat dabei, weiterhin den jeweiligen rechtlichen, ggf. bundesgesetzlich ergänzten Rahmen vollständig auszuschöpfen, um evtl. auftretende Probleme in öffentlichen Funktionen und Institutionen sachgerecht im Sinne von Ziffer 1 zu lösen.

II. Der Senat wird ersucht,

zu prüfen, inwieweit darüber hinaus im Sinne des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für die Bundesebene (BT-Drs. 18 /11180) landesrechtlicher Regelungsbedarf besteht und ggf. der Bürgerschaft eine passgenaue, landesrechtliche Fortschreibung des Gesetzentwurfs des Bundes für Hamburg zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen.

 

sowie
  • der Abgeordneten Dr. Anjes Tjarks
  • Dr. Stefanie von Berg
  • Filiz Demirel
  • Antje Möller
  • Farid Müller
  • Dr. Carola Timm (GRÜNE) und Fraktion