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Die Senatoren und ihre Dienstwagen (III)

Mittwoch, 23.09.2009

Die Angaben des Senats zur Nutzung von Dienstwagen durch Senatsmitglieder und die Einhaltung diesbezüglicher Bestimmungen erscheinen widersprüchlich und wenig nachvollziehbar.

So hat der Senat auf meine Anfrage hin zunächst offiziell mitgeteilt, Senatsmitglieder müssten die Kosten privater Fahrten außerhalb eines Radius von 200 km um Hamburg detailliert abrechnen und erstatten. Daraufhin hat der Innensenator behauptet, diese Regelung gelte für ihn nicht, um im Anschluss zu beteuern, er habe sich an die Vorschriften gehalten, weil seine privaten Museenbesuche in Paris aufgrund seiner politischen Stellung dienstlich bedingt seien.

Zugleich hieß es von Senatsseite, die einschlägigen Bestimmungen seien im Laufe der Jahre in Vergessenheit geraten. Auch diese Darstellung erscheint wenig glaubhaft. Denn der Rechnungshof hatte erst vor wenigen Jahren Verstöße der Innenbehörde gegen diese Richtlinien gerügt, der Senat hatte eine Überarbeitung der Bestimmungen angekündigt.

Im Nachgang zu meinen Anfragen Drs. 19/4015 und 19/4069 frage ich daher den Senat:

 

1. Was gilt?

1.1. Auf meine Anfrage hat der Senat in Drs. 19/4015 (zu Ziffer 4) erklärt, die rechtlichen Rahmenbedingungen, mithin auch die Richtlinien für die Nutzung von Dienstwagen durch Senatorinnen und Senatoren sowie Staatsrätinnen und Staatsräte „werden eingehalten“.

a) Auf welcher Basis wurde diese Aussage getroffen, welche Informationen wurden hierzu eingeholt und wann?

b) Hält der Senat an dieser Aussage fest und wie begründet der Senat seine Position?

1.2. In Beantwortung meiner Frage nach den Bestimmungen über die Dienstwagennutzung durch Senatsmitglieder und Staatsräte nennt der Senat (in Ziffer 1 Drs. 19/4015) die Kfz-Bestimmungen von 1964 bzw. 1971 sowie die Notwendigkeit einer Versteuerung nach dem Einkommensteuergesetz und verweist „im Übrigen“ auf die Anlage zu seiner Antwort. Darin wird ein Auszug aus den Kfz-Bestimmungen wörtlich wiedergegeben, wonach Fahrten außerhalb eines Umkreises von 200 km um Hamburg besonders zu bewerten sind.

Ist die Antwort in Drs. 19/4015 vom 8. September 2009 so zu verstehen, dass neben den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes die Richtlinien aus den Kfz-Bestimmungen gelten, die Versteuerungspflicht also parallel und zusätzlich zu den Dienstwagenrichtlinien gilt? Wenn nein, weshalb nicht?

1.3. In Beantwortung meiner Anfrage Drs. 19/4069 erläutert der Senat, der Präses der Innenbehörde versteuere pauschal die private Nutzung seines Dienstfahrzeugs mit Fahrer gemäß den rechtlichen Bestimmungen; „aus diesem Grund“, so der Senat, sei „eine Einzelabrechnung von Fahrten grundsätzlich nicht erforderlich“.

a) Ist die Antwort in Drs. 19/4069 vom 18. September 2009 so zu verstehen, dass die Richtlinien aus den Kfz-Bestimmungen im Falle einer pauschalen Versteuerung des Dienstfahrzeugs nicht neben den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes gelten, sondern hinter sie zurücktreten, und zwar unabhängig von Schutzkonzepten?

b) Welche „rechtlichen Bestimmungen“ sind hier gemeint?

c) Wenn der Senat angibt, Einzelabrechnungen seien „grundsätzlich nicht“ erforderlich, welche Ausnahmen gibt es ggf. von diesem Grundsatz?

1.4. In der Diskussion um eine Dienstwagennutzung im Ausland durch den Präses der Innenbehörde im Oktober 2008 hat dieser zunächst sinngemäß erklärt, durch die pauschale Versteuerung des geldwerten Vorteils sei die private Nutzung von Fahrzeug und Fahrer in Paris vollständig abgegolten; anderenfalls müssten Senatsmitglieder doppelt für Dienstwagennutzungen zahlen. Später hat er erläutert, es habe sich bei den Fahrten in Paris gar nicht um eine private Nutzung gehandelt, da diese durch seine politische Stellung bedingt gewesen seien.

Ist die Antwort des Senats aus Drs. 19/4069 so zu verstehen, dass sich der Senat beiden Darstellungen anschließt?

1.5. Wenn es zutrifft, dass jede private Nutzung eines Dienstwagens durch ein Senatsmitglied durch eine pauschale Versteuerung vollständig abgegolten werden kann, wäre Ergebnis dieser Rechtslage, dass sich ein Senatsmitglied mehrere Wochen lang im Urlaub auf Kosten der öffentlichen Hand durch Europa chauffieren lassen könnte, ohne einen Cent für Fahrer oder Kraftstoff erstatten zu müssen.

Hält der Senat eine solche Rechtslage für richtig bzw. erstrebenswert?

 

2. Wurde bisher abgerechnet?

2.1. Welche Mitglieder des Senats und welche Staatsrätinnen und Staatsräte versteuern neben dem Präses der Innenbehörde pauschal die private Nutzung ihrer Dienstfahrzeuge mit Fahrer, welche rechnen auch gegenüber der Steuer einzeln ab?

2.2. In seiner Antwort Drs. 19/4015 hat der Senat mitgeteilt, über die dort aufgeführten, dienstlich veranlassten Auslandsreisen von Senatsmitgliedern hinaus habe es in den Jahren 2008 und 2009 insgesamt sechs ausschließlich private Dienstwagennutzungen von Staatsräten und Senatsmitgliedern im Ausland gegeben. Diese Reisen, so der Senat, „wurden bzw. werden entsprechend den Vorschriften abgerechnet“.

a) Welche „Vorschriften“ sind damit gemeint? Welche Bestimmungen kommen insoweit in Betracht und welche werden bzw. wurden hierbei konkret angewandet?

b) In welchen Quartalen der Jahre 2008 und 2009 haben jeweils wie viele der sechs Reisen stattgefunden und in welchen Quartalen wurden sie jeweils abgerechnet?

c) Wem gegenüber erfolgte die Abrechnung?

2.3. In seiner Antwort Drs. 19/4015 der Senat außerdem ausgeführt, privat begründete Fahrten im Anschluss an eine Dienstreise des Ersten Bürgermeisters in Österreich im April 2009 seien „privat abgerechnet“ worden.

a) Was ist darunter zu verstehen? Welche Vorschriften sind bei dieser Abrechnung angewandt worden und wem gegenüber erfolgte die Abrechnung?

b) Handelte es sich insbesondere um eine Erstattung im Rahmen der Dienstwagen-Richtlinie, wie sie in der Anlage zur Senatsantwort Drs. 19/4015 abgedruckt wurde?

2.4. Anlässlich der Diskussion um eine umstrittene Dienstwagennutzung der Bundesgesundheitsministerin hieß es Ende Juli 2009 von Senatsseite, in Hamburg gelte die grundsätzliche Regelung, wonach Senatoren und Staatsräte ihre Dienstwagen auch privat nutzen können. Private Fahrten müssten abgerechnet werden, daran würden sich alle Betroffenen halten. Nunmehr ist von Senatsseite zu hören, es werde überprüft, ob es überhaupt einen Haushaltstitel gibt, in den Senatsmitglieder und Staatsräte Entgelte für die private Benutzung von Dienstfahrzeugen entrichten können.

a) Wie stellt sich der Sachverhalt dar?

b) In welche Haushaltstitel fließen Erstattungen von Staatsräten und Senatsmitgliedern sowie der Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts und des Rechnungshofs im Zuge der Abrechnung privater Nutzungen von Dienstwagen?

c) Welche Einnahmen wurden in diesen Titeln jeweils in den Jahren seit 2004 verzeichnet?

d) In welchen Haushaltstitel sind die Erstattungen geflossen, die der Erste Bürgermeister zur Abrechnung der Privatfahrten in Österreich geleistet hat?

e) In welchen Haushaltstiteln sind diejenigen Erstattungen verbucht worden, welche Senatoren und Staatsräte zur Abrechnung der sechs vom Senat genannten, ausschließlich privaten Dienstwagennutzungen geleistet haben?

2.5. Welche Erkenntnisse gibt es auf Senatsseite darüber, ob Privatfahrten in der Vergangenheit stets korrekt abgerechnet wurden? Werden entsprechende Sachverhalte im Nachhinein überprüft? Welche Prüfungen wurden insoweit wann und von wem veranlasst, welche Vorgänge werden untersucht und aus welchen Gründen?

 

3. Transparenz!

3.1. Obwohl in der Anfrage Drs. 19/4015 ausdrücklich nach gemischt privat/dienstlichen Dienstwagennutzungen im Ausland gefragt war, wurde die Tatsache, dass der Aufenthalt des Innensenators in Paris im Herbst 2008 auch private Gründe hatte, erst auf Nachfrage in Drs. 19/4069 mitgeteilt.

Warum wurde nicht sofort Transparenz geschaffen? Warum hat der Senat zunächst verschwiegen, dass die vorgeblich viertägige Dienstreise des Innensenators tatsächlich nur über einen Zeitraum von weniger als 24 Stunden dienstlich veranlasst war und Dienstfahrzeug und Fahrer auch für private Zwecke genutzt wurden?

3.2. Welche Kosten sind der öffentlichen Hand durch die Nutzung von Dienstwagen und Fahrer für private Zwecke des Innensenators im Oktober 2008 im Einzelnen entstanden?

3.3. Ist die Senatsantwort zu Drs. 19/4015 in weiterer Hinsicht zu ergänzen? Hat es weitere private oder gemischt privat/dienstliche Dienstwagennutzungen gegeben, die bisher nicht genannt wurden?

3.4. Welche Möglichkeiten gibt es für Senatsmitglieder und andere Vertreter des Senats, bei dienstlichen Anlässen im Ausland Ausstattung und Dienstleistungen der deutschen Auslandsvertretungen zu nutzen? Inwieweit stehen Landespolitikern zum Beispiel Dienstwagen mit Fahrern und Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung?

 

4. Was soll gelten?

4.1. Sollen sämtliche geltenden Bestimmungen beibehalten werden oder ist auf Senatsseite eine Änderung der Bestimmungen über die Nutzung von Dienstfahrzeugen durch Senatsmitglieder geplant?

a) Welche Regelungsinhalte sollen geändert werden und aus welchen Gründen wird Korrekturbedarf gesehen?

b) Welche Behörden arbeiten an einer Neufassung und jeweils seit wann?

c) Welchen Inhalt sollen die Änderungen haben?

d) Gibt es auf Senatsseite zeitliche Vorstellungen, wann eine Änderung der Bestimmungen beschlossen werden und in Kraft treten soll?

4.2. Ist insbesondere beabsichtigt, die Regelung für Bundesministerinnen und Bundesminister zu übernehmen, die den geldwerten Vorteil aus einer privaten Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen versteuern, darüber hinaus aber kein Entgelt leisten müssen?

a) Wird auf Senatsseite die Auffassung vertreten, dass die von Mitgliedern des Bundeskabinetts wahrzunehmenden Termine und dabei zurückzulegenden Wege mit denen von Senatsmitgliedern vergleichbar sind?

b) Ist man auf Senatsseite der Meinung, dass die Senatsmitglieder nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die Dienstleistung der Fahrer jederzeit ohne weitere Erstattung nutzen können sollen?

4.3. Welche Informationen gibt es auf Senatsseite, welche Regelungen die anderen Bundesländer und insbesondere die Stadtstaaten Berlin und Bremen über die Nutzung von Dienstfahrzeugen durch Landesminister und Staatssekretäre treffen?

 

5. Kurzzeitgedächtnis?

5.1. In der Diskussion um die Parisreise des Innensenators vom Herbst 2008 und die Kraftfahrzeugbestimmungen aus dem Jahr 1964 hieß es von Senatsseite, möglicherweise habe man deren Bestimmungen in der Vergangenheit nicht immer beachtet; sie seien so alt, dass sie in Vergessenheit geraten seien. Tatsächlich hat der Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg erst Anfang des Jahres 2006 den Fahrzeugeinsatz der Innenbehörde unter Hinweis auf diese Richtlinien gerügt (Drs. 18/3700). In seinem Jahresbericht 2006 hat der Rechnungshof unter anderem ausgeführt, die Allgemeinen Kraftfahrzeugbestimmungen des Senats würden insbesondere bei der Polizei nicht eingehalten. Die Notwendigkeit der Inanspruchnahme von Dienstkraftfahrzeugen außerhalb von Einsatzfahrten müsse sorgfältiger geprüft werden. In der Auseinandersetzung mit dem Rechnungshof hat der Senat seinerzeit mitgeteilt, die Allgemeinen Kraftfahrzeugbestimmungen würden überarbeitet (Drs. 18/4271 Seite 11, 18/5333 Seite 30).

a) Welche Änderungen welchen Inhalts hat es seit dem Jahr 2006 gegeben, wer hat sie beschlossen und welche Behörden waren daran beteiligt?

b) Hatten die Beanstandungen des Rechnungshofs weitere Konsequenzen? Welche?

5.2. Im Zuge der Prüfung hatte der Rechnungshof insbesondere moniert, dass die Polizei „Führungskräften entgegen den zur Kostendämpfung getroffenen Beschlüssen des Senats Dienstkraftfahrzeuge zur ständigen Nutzung – auch für Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle – zur Verfügung stellt“. Der Rechnungshof sah die Allgemeinen Kraftfahrzeugbestimmungen verletzt, weil diversen Beamten wie den Leitern der damaligen Landespolizeiverwaltung und der IuK-Abteilung teils hochwertige Autos ohne Rücksicht auf dienstliche Notwendigkeiten zur Verfügung gestellt wurden.

Gegenüber der Bürgerschaft hat der Senat mitgeteilt, die Innenbehörde werde entsprechend der Forderung des Rechnungshofs durch eine Konkretisierung der polizeilichen Dienstvorschrift sicherstellen, dass bei der Genehmigung der Inanspruchnahme von Dienstfahrzeugen künftig ein strenger Maßstab anzulegen sei. Zudem werde überlegt, in den Allgemeinen Kraftfahrzeugbestimmungen spezielle Regelungen für Polizei und Feuerwehr aufzunehmen (Drs. 18/5333 Seite 30).

a) Hat es in diesem Zusammenhang Änderungen von Vorschriften gegeben? Wann wurden welche Regelungen getroffen und welche Behörden waren inwiefern daran beteiligt?

b) Aus welchen Gründen wurden ggf. erwogene Änderungen der Polizeilichen Dienstvorschrift oder der Allgemeinen Kraftfahrzeugbestimmungen verworfen und wer hat das entschieden?

c) Welchen Führungskräften in der Behörde für Inneres wird derzeit im Einzelnen aufgrund ihrer Funktion ein Dienstfahrzeug zur dauerhaften Nutzung gestellt und inwieweit dürfen sie die Fahrzeuge für Wohnungsfahrten nutzen?

5.3. Trifft es zu, dass Innenbehörde und Finanzbehörde jedenfalls im Zuge der Diskussion über die Feststellungen des Rechnungshofs im Jahr 2006 mit den Allgemeinen Kraftfahrzeugbestimmungen, die auch die Regelungen über die Dienstwagennutzung durch Senatoren trifft, in Berührung gekommen sind?