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Gesundheitsversorgung von Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus

Freitag, 17.07.2009

Ausländer ohne Pass oder rechtmäßigen Aufenthaltstitel haben nach Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) §§ 4 und 6 zwar einen Rechtsanspruch auf medizinische Hilfe bei akuten und schmerzhaften Erkrankungen sowie Leistungen, die zur Aufrechterhaltung der Gesundheit unerlässlich sind, nehmen diesen Anspruch in den überwiegenden Fällen jedoch entweder überhaupt nicht oder erst sehr spät wahr. Grund: Die Inanspruchnahme medizinischer Hilfe kann die Aufdeckung eines nicht legalen Aufenthalts nach sich ziehen und zu einer Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland führen. Die Kostenerstattung einer Behandlung erfolgt nämlich über die zuständigen Sozialämter. Diese beziehen die personenbezogenen Daten von Krankenhäusern und Arztpraxen und damit auch Daten über den Aufenthaltsstatus einer Person. Und nach Aufenthaltsgesetz (AufenthG) §§ 87 und 88 ist das zuständige Sozialamt verpflichtet, diese Daten an die Ausländerbehörde weiterzuleiten. Nach einem Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte zeigen anonymisierte Fallbeispiele, dass die derzeitige Situation die Krankheitsverläufe bei Betroffenen erheblich verschlimmert. Nun steht aber außer Frage, dass Schwangere und Kranke medizinische Hilfe bekommen müssen, die sie auch gefahrlos annehmen können, ohne befürchten zu müssen, dass dies zu einer unmittelbaren Abschiebung führt. Nicht nur aus humanitären Gründen und vor dem Hintergrund von Art. 1 GG, sondern etwa auch aus epidemiologischen Gründen, also auch um andere Menschen zu schützen, muss ihnen unbürokratisch geholfen werden können. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Welche und wie viele medizinischen und pflegerischen Netzwerke und Einrichtungen sind dem Senat bekannt, an die sich Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in Hamburg wenden können, ohne Gefahr zu laufen, dass gegen sie unmittelbar § 87 AufenthG Anwendung findet? Bitte wenn möglich nach Bezirken auflisten.

2. Sieht der Senat eine Möglichkeit, in verschiedenen Sprachen eine Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, die Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus über diese Netzwerke und Einrichtungen informiert? Oder ist eine solche Öffentlichkeitsarbeit grundsätzlich nicht im Interesse des Senats?

3. Wie wird in diesen Netzwerken und Einrichtungen ärztliche und pflegerische Lei¬stung abgerechnet und mit wem?

 

 

4. Darf sich ein Arzt bei der Behandlung von Menschen ohne gesicherten Aufent¬halts¬status auf seine ärztliche Schweigepflicht berufen, oder muss er bestimm¬te Daten weiter geben für den Fall

a) dass er seine medizinische Leistung nicht abzurechnen gedenkt?

b) dass er seine Leistung abzurechnen gedenkt?

Welche Daten müssen jeweils weiter geleitet werden und an wen?

5. Darf der behandelnde Arzt überhaupt, medizinische Leistungen verrichten, oh¬ne sie abzurechnen?

6. Sind die Hamburger Ärzte darüber informiert, dass sie sich nicht gemäß § 96 AufenthG (sog. „Schlepperparagraph“) strafbar machen und nicht mit dem Ge¬setz in Konflikt geraten, wenn sie Menschen ohne Papiere behandeln? Wie und von wem werden Ärzte in Hamburg darüber informiert und gedenkt der Se¬nat, hier gegebenenfalls Aufklärungsarbeit zu leisten?

7. Wie steht der Senat zur Verbesserung der medizinischen Versorgung von Men¬schen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus? Hält der Senat das sogenann¬te „Münchener Modell“ oder das sogenannte „Frankfurter Modell“ für auf Ham¬burg übertragbar? Falls sich der Senat damit bisher nicht befasst hat, gedenkt er dies noch zu tun? Wenn ja, wann, wenn nein, warum nicht?

8. Unterstützt der Senat Bestrebungen des Landes Berlin,

a) bundesweit die Duldung für Schwangere zu verlängern,

b) die Verpflichtung der Verwaltung der Krankenhäuser zur Weitergabe von Da¬ten abzuschaffen,

c) o.g. Netzwerke und Einrichtungen finanziell zu unterstützen sowie

d) einen anonymen Krankenschein einzuführen?

Falls sich der Senat mit diesen Fragen bisher nicht befasst hat, gedenkt er dies noch zu tun? Wenn ja, wann, wenn nein, warum nicht?

9. Da eine bundesweite Gesetzesänderung möglicherweise kurz- und mittelfristig nicht durchsetzbar ist, plant Hamburg wie Berlin landesweite Verbesserungen, oder gedenkt Hamburg über den Bundesrat eine eigenständige Gesetzesiniti¬a¬ti¬ve zu ergreifen?

10. Wie bewertet der Senat die bisher skizzierte Problematik grundsätzlich? Sieht er Handlungsbedarf? Wenn ja welchen, und was gedenkt er zu tun?