Zum Hauptinhalt springen

Situation von „Tagelöhnern“ auf Hamburger Baustellen

Mittwoch, 26.10.2011

Verschiedene Medien (u.a. der NDR) haben in den vergangenen Wochen über die Situation der sogenannten „Tagelöhner“ aus Wilhelmsburg informiert. Dabei handelt es sich um zumeist aus Bulgarien stammende Menschen, die sich offenbar auf Hamburger Baustellen zu einem sehr schlechten Lohn verdingen müssen, der deutlich unter dem für den Baubereich gültigen Mindestlohn von 10,90 Euro pro Stunde liegt. Offenbar werden sie nicht selten für ihre Arbeit auch gar nicht entlohnt. Für diese scheinselbständig oder gänzlich papierlos Beschäftigten werden keine Sozialabgaben entrichtet, eine Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft (BG-Bau) zur Absicherung von Unfällen am Bau erfolgt ebenfalls nicht. Mit anderen Worten: Ihre Lage, die von Verzweiflung und Wehrlosigkeit geprägt ist, wird von hier ansässigen Firmen ausgenutzt. Anscheinend bedienen sich auch renommierte Bauunternehmen dubioser Subunternehmer, um auf diesem Weg möglichst billige Arbeitskräfte zu gewinnen und sich so am Markt durch günstige Angebote durchsetzen zu können.

 

Einige der Betroffenen haben sich an die gewerkschaftliche Anlaufstelle für Migrantinnen und Migranten ohne gesicherten Aufenthalt (MigrAr) des DGB Hamburg gewandt. In ihren Fällen blieb der Subunternehmer überdies den Großteil des versprochenen Lohns schuldig, wodurch sich ein faktischer Barlohn von 2,87 € ergab. Die so Ausgebeuteten sind in ihrer Notsituation faktisch machtlos. Eine Rückfrage bei der zuständigen Baufirma ergab lediglich den Verweis auf einen Subunternehmer. Überdies teilte man nach der Einschaltung von Rechtsanwälten mit, man „habe die Subunternehmer regelmäßig verpflichtet, alle gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen, insbesondere auch die Bestimmungen zum Mindestlohn einzuhalten“. Ein Versuch der Inanspruchnahme des Subunternehmers scheiterte im konkreten Fall bereits daran, dass sämtliche Zustellversuche an die im Handelsregister angegebenen Adressen erfolglos blieben.

 

Möglicherweise sind von diesen oder ähnlichen Vorkommnissen auch Baustellen der stadteigenen Sprinkenhof AG betroffen, unter anderem auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne bzw. des Stadtentwicklungsprojekts „Jenfelder Au“.

 

 

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

 

1. Welche Kenntnis hat der Senat bzw. die zuständige Behörde von den oben geschilderten oder ähnlichen Vorgängen generell?

 

2. Welche Kenntnis hat der Senat bzw. die zuständige Behörde von den oben geschilderten oder ähnlichen Vorgängen in Bezug auf die Sprinkenhof AG und/oder andere Unternehmen, an denen die Stadt Hamburg beteiligt ist?

 

3. Wie stellt die Stadt Hamburg sicher, dass auf sämtlichen Baustellen die arbeitsrechtlichen Standards, insbesondere der geltende Mindestlohn eingehalten werden?

 

4. Welche Vorkehrungen (ordnungsrechtliche und/oder durch die Vertragsgestaltung) werden vom Senat bzw. den zuständigen Behörden getroffen, damit bei Bauaufträgen der öffentlichen Hand arbeits- und tarifrechtliche Standards auch durch beteiligte Subunternehmer eingehalten werden?

 

5. Sofern Fälle der Nichteinhaltung von arbeitsrechtlichen Mindeststandards bei öffentlichen Bauprojekten im Zusammenhang mit Subunternehmern in der Vergangenheit bekannt wurden: Was unternahm der Senat bzw. die zuständige Behörde bisher, um dies für die Zukunft zu verhindern? Was soll in Zukunft unternommen werden?

 

6. Welche Sanktionsinstrumente, auch über die strafrechtlichen hinaus, sind in Hamburg vorgesehen, um auf die Nichteinhaltung von arbeitsrechtlichen Standards zu reagieren?

 

7. Werden Bauunternehmen für eine Zeit von der Erteilung von Bauaufträgen der öffentlichen Hand ausgeschlossen, wenn bekannt wird, dass dieses Bauunternehmen oder einer seiner Subunternehmer bei der Ausführung eines öffentlichen Bauauftrags in relevantem Umfang arbeitsrechtliche Standards nicht einhielt?

 

a. Wenn ja: Wie oft ist dies in den letzten fünf Jahren geschehen, und welche Unternehmen waren davon betroffen?

b. Wenn nein: Warum nicht?

 

8. Sieht der Senat bzw. die zuständige Behörde es als Möglichkeit an, bei Bauaufträgen der öffentlichen Hand eine empfindliche Vertragsstrafe vorzusehen, sofern durch das beauftragte Unternehmen oder durch Subunternehmer (mit oder ohne Wissen des Generalunternehmers) arbeits- oder tarifrechtliche Mindeststandards unterlaufen werden?

 

a. Wenn ja: Seit wann wird dies so praktiziert, bzw. ab wann soll es praktiziert werden?

b. Wenn nein: Warum nicht?

 

9. Durch welche Institution und in welchem Umfang kontrolliert die Stadt Hamburg auf Baustellen mit öffentlicher Beteiligung die Einhaltung der in den Verträgen zwischen der Stadt und den ausführenden Bauunternehmen vertraglich vereinbarten arbeits- und tarifrechtlichen Standards?

 

10. Welche Kenntnis hat der Senat bzw. die zuständige Behörde über die offenbar vorkommende Praxis, dass Angehörige solcher Staaten, die in Deutschland (noch) keine Arbeitserlaubnis im Rahmen der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit erhalten, Gewerbescheine beantragen und auch ausgestellt bekommen, obwohl es sich bei ihren Tätigkeiten tatsächlich nicht um eine selbständige Gewerbeausübung im Sinne des Gewerberechts handelt, sondern um einleitend beschriebene oder ähnliche Tätigkeiten?

 

a. In welchem zahlenmäßigen Umfang kommt es in Hamburg nach Kenntnis des Senats bzw. der zuständigen Behörden zu Fällen der Gewerbescheinvergabe, bei denen ein solcher Hintergrund vorliegt oder begründet vermutet werden kann?

 

b. Welche Möglichkeiten sieht der Senat bzw. die zuständige Behörde, um eine solche Praxis zu unterbinden? Welche Maßnahmen sind bereits ergriffen worden oder sollen in Zukunft ergriffen werden?