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Verdacht der Zwangsverheiratung eines 15-jährigen Mädchens aus Hamburg-Stellingen

Freitag, 07.05.2010

In den vergangenen Tagen gab es Berichte und Irritationen über das Wohl einer jungen Schülerin aus Hamburg-Stellingen. Die 15-jährige Fatima war am vergangenen Wochenende offenbar gegen ihren Willen in Berlin festgehalten und dort nach Hinweisen aus Hamburg von Polizeibeamten befreit worden. Nachdem sie über die Jugendbehörden wieder zu ihrer Familie zurückgelangt war, hat sie geschildert, sich freiwillig in Berlin aufgehalten zu haben. Mittlerweile soll das Mädchen ihre Absicht erklärt haben, künftig in Berlin wohnen und die Schule besuchen zu wollen.

Bisher ist unklar, ob das Mädchen möglicherweise in Berlin Opfer einer Zwangsverheiratung mit einem 19-jährigen Heranwachsenden werden soll oder wurde.

Wir fragen den Senat:

1. Wie stellt sich der Sachverhalt nach dem derzeitigen Kenntnisstand im Einzelnen dar? Welche Hinweise gab und gibt es, dass das Mädchen Fatima angehalten wurde, in eine arrangierte Ehe einzutreten? In welcher Rechtsform sollte die Ehe geschlossen werden? Welche Hinweise haben dazu geführt, dass das Mädchen in Berlin aufgesucht wurde? Unter welchen Umständen ist sie von Hamburg nach Berlin zurückgekehrt? Wo befindet sie sich jetzt?

2. Gibt es strafrechtliche Ermittlungen, gegen wen werden sie geführt und welche Vorwürfe und Straftatbestände werden geprüft? Wie ist der Stand der Ermittlungen, welche Beschuldigten und Zeugen wurden bereits vernommen und haben sie zur Sache ausgesagt?

3. Um wen handelt es sich bei der Familie des Mädchens Fatima? Wer gehört ihrer Familie an? Wer teilt sich eine gemeinsame Wohnung, inwieweit sind die Familienangehörigen schulpflichtig oder berufstätig?

4. Seit wann lebt die Familie im Bundesgebiet bzw. in Hamburg und über welchen aufenthaltsrechtlichen Status verfügen die Familienangehörigen?

5. Welche Erkenntnisse gibt es über den 19-jährigen Mann aus Berlin und seine Familie?

6. Besucht(e) das Mädchen in Hamburg regelmäßig die Schule oder kam es wiederholt zu Fehlzeiten und was wurde ggf. unternommen? Welche Behörden (etwa Polizei, Rebus, Jugendamt, FIT?) waren in den vergangenen Jahren wann mit ihm befasst, inwiefern und was wurde wann veranlasst?

7. Sind Angehörige der Familie in der Vergangenheit polizeilich auffällig geworden oder anderweitig strafrechtlich in Erscheinung getreten? Wer, wann und inwiefern? Hat es in der Vergangenheit Gewalttaten in der Familie gegeben? Gibt es Hinweise, ob Fatima bereits Opfer von Straftaten Angehöriger geworden ist, und inwiefern?

8. Wann haben jeweils welche Behörden von welchen Vorfällen im Zusammenhang mit der Familie Fatimas erfahren und welche Konsequenzen hatten die Geschehnisse im Einzelnen? Inwieweit gab es Strafanzeigen bzw. Strafanträge?

9. Welche Erkenntnisse gibt es, ob und wann Fatima oder andere Familienangehörige sich in der Vergangenheit in die Obhut staatlicher Einrichtungen, von Frauenhäusern, Jugendhilfeträgern oder vergleichbarer Institutionen begeben haben?

10. Über welche Möglichkeiten verfügen welche Behörden in der Praxis, um Mädchen zu helfen, denen möglicherweise eine Zwangsverheiratung droht? Welche Besonderheiten gibt es, wenn ein Sachverhalt mehrere Bundesländer betrifft, und wie erfolgt in diesen Fällen die Abstimmung?

11. Was haben die Behörden, insbesondere das Jugendamt, im Einzelnen wann unternommen, um das Mädchen Fatima zu unterstützen und zu schützen?

12. Welche Beratungs- und Hilfsangebote gab es – insbesondere seit Ende der Märzferien 2010 – für das Mädchen Fatima und welche hat sie genutzt? Wann haben Beratungen des Mädchens stattgefunden, aus welchem Anlass und mit welchem Ziel?

13. War allen beteiligten Jugend- und Strafverfolgungsbehörden in Hamburg und Berlin zu jedem Zeitpunkt klar, wer im vorliegenden Fall für Gefahrenabwehr bzw. Strafverfolgung zuständig ist? Hat sich stets eine Berliner oder Hamburger Strafverfolgungsbehörde aufgerufen gefühlt, auf das Wohl des Kindes zu achten, oder hat es Unstimmigkeiten oder Missverständnisse gegeben?

14. Nach der Ermordung des damals 16-jährigen Mädchens Morsal durch ihren Bruder und in Anbetracht ihrer Leidensgeschichte hat der Senat angekündigt, die Behörden würden künftig in jedem derartigen Fall von der jeweils schlimmsten denkbaren Konstellation ausgehen. Hat im Falle Fatimas eine worst-case-Betrachtung stattgefunden? Wie hat sich diese im Einzelnen auf das Handeln der Behörden ausgewirktt?