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Vorsorgeuntersuchungen für Kinder („U-Untersuchungen“): Der zweijährige und auf die U6 und U7 beschränkte Modellversuch von CDU und GAL

Mittwoch, 19.05.2010

Nach jahrelangen Ankündigungen haben auch CDU und GAL im Dezember 2009 die landesgesetzliche Grundlage für verbindliche Vorsorgeuntersuchungen für Kinder geschaffen. Allerdings lediglich für einen zunächst auf zwei Jahre befristeten Modellversuch und lediglich bezogen auf die U6 und U7. Damit ist Hamburg in dieser Angelegenheit eines der Schlusslichter in Deutschland.

 

Eine verpflichtende Untersuchung von Kindern im Rahmen des Hamburgischen Kinderbetreuungsgesetzes (KibeG) wurde von CDU- und GAL-Fraktion zeitgleich abgeschafft - mit der nicht zutreffenden Behauptung einer „Doppeluntersuchung“ durch die U7a.

 

In einer Sachverständigenanhörung des Familien-, Kinder- und Jugendausschusses vom 03.11.2009 hieß es seitens der Expertinnen und Experten u.a. (Alle Zitate gemäß Wortprotokoll Nr. 19/17 der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Verbraucherschutz vom 03.11.2009.):

 

Herr Dr. med. Hans-Ulrich Neumann - Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte:

„Die U7a, und da gebe ich Ihnen recht, ist keine Doppeluntersuchung.“

 

Frau Dr. Renate Klein - Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales des Saarlandes:

„Wir haben begonnen mit der U5 (..). Wir haben dann aber, wie gesagt, erst nach oben dann auch zu U3/U4 das Ganze erweitert, weil wir wissen, dass halt Schütteltraumen und solche Dinge gerade in der frühen Zeit vorkommen. (…) Es bewährt sich aber, weil man dann sehr früh in problematische Familien dann reinkommt. Das macht auch, sagen wir mal, einen Großteil der Hausbesuche aus, die U3, U4, weil man dann einfach beraten kann und dann gegebenenfalls auch noch weitere Hilfen machen kann.“

 

Herr Dr. Benedikt Müller-Lucks – Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein:

„(..) es ist eigentlich erst bei unserem System vernünftig ab der U4. Wenn man ein anderes System hat, ich kann das jetzt nicht so schnell technisch umsetzen, ist es vielleicht mit der U3.“

 

Wiederholte Anfragen der SPD-Fraktion zum Thema Vorsorgeuntersuchungen für Kinder hatten u.a. ergeben, dass es deutlich niedrigere Teilnahmequoten bei Kindern ohne deutschen Pass sowie nicht hinzunehmende Unterschiede zwischen einzelnen Stadtteilen gibt (hier U7 – U9): Im Gegensatz zu über 90 Prozent Teilnahmequote in Lemsahl-Mellingstedt, Volksdorf oder Wellingsbüttel, stehen 57,4 Prozent in St. Pauli, 60,8 Prozent auf der Veddel oder 61,4 Prozent in Altona-Altstadt. In mehreren sozial schwachen Stadtteilen wie z.B. St. Georg oder Billstedt ist die ohnehin niedrige Quote sogar noch weiter zurückgegangen.

 

Die Große Anfrage Drs. 19/2412 der SPD-Fraktion ergab zudem u.a.:

 

• In absoluten Zahlen haben auf Basis der 2008er Zahlen an der U4 über 600 mal Kinder und an der U5 rund 750 mal Kinder nicht teilgenommen.

• Zu Quoten von Kindern mit Migrationshintergrund ist der Senat nicht auskunftsfähig.

• Bei Kindern mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit ist die ohnehin schon deutlich niedrigere Teilnahmequote in 2008 gegenüber 2005 von der U1 bis inkl. der U7 sogar noch weiter gesunken! – und beträgt z.B. bei der U4 jetzt 80,5 Prozent und bei der U5 jetzt 77,6 Prozent.

• In 19 Stadtteilen nimmt etwa jedes vierte Kind nicht an den Untersuchungen teil; in weiteren (zusätzlich)14 Stadteilen ist es sogar rund jedes dritte Kind.

 

Bereits am 13.10.2009 hatte Senator Wersich auf der Landespressekonferenz (LPK) über den „Modellversuch zur kontrollierten Teilnahme an U-Untersuchungen“ informiert. In der Pressemitteilung hierzu hieß es u.a.: „Im Rahmen des Modellversuchs sollen die Sorgeberechtigten von circa 33.000 Kindern in Hamburg durch Anschreiben einer zentralen Stelle zu den Kinderfrüherkennungsuntersuchungen U6 und U7 jährlich an die Teilnahme erinnert werden.“ Entsprechend lautet auch die Senatsmitteilung Drs. 19/4331. Die gesetzliche Grundlage für den Modellversuch ist am 01.01.2010 in Kraft getreten (Gesetz zur Neustrukturierung und Optimierung der gesundheitlichen Vorsorge im Vorschulalter, HmbGVBl. Nr. 56 vom 29.12.2009).

 

Senator Wersich erklärte auf der LPK am 13.10.2009, der Modellversuch solle „im Frühjahr“ 2010 starten. Ein Vertreter der BSG erläuterte, man sei über die „zentrale Stelle“ noch in Verhandlungen.

 

In der Senatsanhörung zu diesem Thema hieß es am 01.12.2010 seitens der BSG, es werde „ein Abkommen mit Schleswig-Holstein geschlossen und dann werden die Eltern das erste Mal eingeladen circa im Mai 2010“ – und weiter: „Die zentrale Stelle, das ist Teil dieses Auftrags, machen wir zusammen mit Schleswig-Holstein, dort mit dem Landesfamilienbüro in Neumünster“ (vgl. Wortprotokoll der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Verbraucherschutz Nr. 19/19 zur Sitzung vom 01.12.2009)

 

 

Ich frage den Senat:

 

1. Hat der Modellversuch für U6 und U7 begonnen? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht und wann wird er beginnen?

2. Zu welchem Ergebnis haben die Verhandlungen über die so genannte „zentrale Stelle“ geführt und wie ist diese organisiert – u.a. in Hinblick auf die Rechtsform (inkl. Aufsicht), die Soll-Stellen und die besetzten Stellen, die Mit-Finanzierung durch die Stadt Hamburg und die Rückkopplung bzw. Berichtspflicht gegenüber der BSG bzw. dem Senat?

3. Sorgeberechtigte von wie vielen Kindern wurden mittlerweile angeschrieben und welche ersten Erkenntnisse hat der Senat bzw. hat die BSG gewonnen?

4. Wie viele und welche der 15 anderen Bundesländer haben mittlerweile Landesgesetze zu Vorsorgeuntersuchungen?

5. In welchen anderen Bundesländern gibt es eine Beschränkung der landesgesetzlichen Regelung oder der Praxis auf die U6 und U7 bzw. auf welche einzelnen Untersuchungen?

6. Welche Teilnahmequoten an den jeweiligen „U-Untersuchungen“ (U1-U9) hat es 2009 gegeben?

7. Welche Teilnahmequoten an den jeweiligen „U-Untersuchungen“ (U1-U9) hat es 2009 bei der „Inanspruchnahme nach Staatsangehörigkeit“ gegeben (in Anlehnung an die Drs. 19/2412)?

8. Ist der Senat mittlerweile auskunftsfähig, was die Teilnahmequoten von Kindern mit Migrationshintergrund an den jeweiligen „U-Untersuchungen“ (U1-U9) anbelangt? Wenn ja, wie lauten die Teilnahmequoten für 2009?

9. Wie waren 2009 die Teilnahmequoten an den jeweiligen „U-Untersuchungen“ (U1-U9) nach Stadtteilen?