Zum Hauptinhalt springen

Bildungsgerechtigkeit vorantreiben: Strukturreform des BAföGs umsetzen und KFW Studienkreditzinsen deckeln

Mittwoch, 27.09.2023

Die gemeinsam vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZWH) und dem deutschen Studierendenwerk vorgestellte 22. Sozialerhebung zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden, erhoben im Sommer 2021, zeigt wesentliche finanzielle Problemlagen der Studierenden und der Studienfinanzierung insgesamt auf:

37 Prozent der Studierenden verfügen im Monat über weniger als 800 Euro. Damit liegen sie 60 Euro unter dem Elternunterhalt für auswärts wohnende Studierende nach der Düsseldorfer Tabelle im Erhebungszeitraum. Diese Gruppe ist weitaus größer als die der nach BAföG Sozialleistung erhaltenden Studierenden mit gerade einmal 13 Prozent. Im Rückschluss fallen 24 Prozent der Studierenden durch das Förderungsraster des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG).

Das BAföG wurde mit dem Ziel eingeführt, die Chancengerechtigkeit im Bildungswesen zu erhöhen und Bildung unabhängiger vom Geldbeutel der Eltern zu gestalten. Beim BAföG handelt es sich demnach um ein wichtiges sozialpolitisches Anliegen. Dieses Anliegen kann nicht als erreicht erachtet werden, wenn ein Drittel der Studierenden sich in einer finanziell heiklen Situation befindet.

Mit Aufnahme eines Studiums ist ein wirtschaftliches Risiko verbunden, das sich eher Menschen mit dem finanziellen Rückhalt der Familie zutrauen als junge Erwachsene, die nicht auf diesen Rückhalt bauen können. Als Rot-Grüne Koalition ist es für uns allerdings ein zentrales Anliegen der Bildungsgerechtigkeit, die Studienfinanzierung für möglichst viele Studierende auszubauen.

Die Kürzungen bei den BAföG-Mittel im Haushaltsentwurf 2024 lassen befürchten, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Erhöhung des BAföGs sowie die weiteren vereinbarten Strukturreformen des BAföG ins Stocken geraten. Der Haushaltsentwurf sieht deutliche Kürzungen bei den Ausgaben vor, etwa beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die ersten Umsetzungen wie die Erhöhung der Freibeträge des Elterneinkommens, der Erhöhung der Altersgrenze und des eigenen Vermögensfreibetrages sind erste richtige Schritte, die konsequent weitergegangen werden müssen. Bevorstehende Reformschritte wie z. B. die im Hamburger Koalitionsvertrag genannte Berücksichtigung höherer Wohnbedarfe mit Bezug zum Wohngeldgesetz (WOGG), die Erhöhung der Freibeträge sowie die zeitlich flexiblere Ausgestaltung des BAföG müssen mit Vehemenz weiterverfolgt werden.

Einen Aspekt der geplanten Reformschritte aus dem Koalitionsvertrag möchten wir besonders hervorheben: Die Anhebung der Förderhöchstdauer. Diese ist gem. § 15 Absatz 2 Satz 2 an die Regelstudienzeit gekoppelt. Allerdings absolvieren nur 32 Prozent der Studierenden ihr Studium in der Regelstudienzeit. Das heißt, dass 2/3 der Studierenden danach auf Angehörige oder auf einen Kredit angewiesen sind. Für diejenigen, deren Angehörige dies nicht finanziell stemmen können, ist dieser Zustand eine psychische Belastung und für viele sog. „Arbeiterkinder“ ein weiterer Grund, Abstand vom Studium zu nehmen. Durch diese enge Förderungsgrenze wird die Realität aller Studierenden ausgeblendet. Früher hatte das BAföG zum Ziel, das Studieren ohne Nebenjob zu ermöglichen; dies ist für viele Studierende auch mit dem Höchstsatz heute nicht mehr möglich. Ein Nebenjob kostet wiederrum Zeit, welche oft zu Lasten der Regelstudienzeit geht.

Eine weitere finanzielle Problemlage ist durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) entstanden. Eigentlich unterstützt diese Studierende bei der Finanzierung Ihres Studiums unter anderem mit der Vergabe eines Studienkredits. Die Beratung der Studierendenwerke zur Studienfinanzierung haben den Studienkredit der KfW bisher fest in ihrem Sortiment gehabt und regelmäßig vorgestellt.

Nun hat die KfW zum 01. April 2023 den effektiven Zinssatz ihres Studienkredits von 6,06 Prozent auf 7,82 Prozent erhöht.

Dies ist besonders für diejenigen Studierenden finanziell kaum tragbar, die während der Corona Pandemie einen Studienkredit aufgenommen haben. Damals fielen viele Nebenjobs weg, weshalb die Studierenden dringend Geld benötigten. Daraufhin setzte die Bundesregierung die Zinsen für den Studierendenkredit der KfW-Bank bis 2022 auf 0 Prozent.

Nun stiegen für diese Studierende die Zinsen in kürzester Zeit von 0 Prozent auf 7,55 Prozent. Für Kreditnehmer:innen, die bereits in der Rückzahlungsphase sind, können dies je nach geliehener Summe mehrere hundert Euro an Mehrbelastung bedeuten. Erste Studierendenwerke nehmen nun in ihren Beratungen Abstand vom Studienkredit der KfW.

Die steigenden Studienkreditzinsen stellen aber auch für alle anderen Studierenden und ehemaligen Studierenden eine erhebliche finanzielle Belastung dar. Die Presseberichterstattung macht deutlich, dass die Zinserhöhungen zu einer zusätzlichen finanziellen Unsicherheit führen und die ohnehin schon angespannte finanzielle Situation der Studierenden weiter verschärfen. Insbesondere für Personen aus einkommensschwachen Familien und solche, die bereits mit hohen Kosten konfrontiert sind, wird der Zugang zu Hochschulbildung dadurch erschwert bzw. gänzlich hiervon abgeschreckt. Dies können und wollen wir uns in Zeiten des Fachkräftemangels nicht leisten.

Die steigenden Studienkreditzinsen führen zu einer wachsenden Verschuldung der (ehemals) Studierenden. Dies steht im Widerspruch zu dem Ziel, Bildung für alle zugänglich zu machen und soziale Ungleichheiten abzubauen. Die 22. Sozialerhebung zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden bestätigt diese Problematik und zeigt auf, dass viele Studierende bereits während ihres Studiums mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Zu Zeiten der Finanzkrise 2008 wurde die damalige Zinserhöhung durch die KfW auf 7 Prozent als „falsches Zeichen“ kritisiert, woraufhin die KfW die Zinserhöhung auf 6,5 Prozent zurücknahm. Die variablen Zinsen der KfW-Bank lagen im Oktober 2021 bei 3,76 Prozent und im April 2022 bei 3,91 Prozent. Der teurere Festzins (Bindung 10 Jahre) lag in diesem Zeitraum bei 4,29 Prozent und 4,59 Prozent, weshalb eine Zinsdeckelung um die 5 Prozent als gerade noch angemessen angesehen werden könnte.

Um die finanzielle Belastung der Studierenden zu verringern und den Zugang zu Bildung gerechter zu gestalten, muss eine Begrenzung der Zinssätze auf ein angemessenes Niveau stattfinden. Dies würde den Studierenden eine langfristige Planungssicherheit bieten und ihre finanzielle Situation stabilisieren. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um Bildung für alle unabhängig von der finanziellen Situation zu ermöglichen und soziale Ungleichheiten zu reduzieren.

Eine Zinsdeckelung wäre auch ein positiver Beitrag zur Chancengerechtigkeit und zur Stärkung des Bildungssystems insgesamt.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

 

1. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, die angestrebten Kürzungen des Haushaltsansatzes für Leistungen aus dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) beim Bundesministerium für Bildung und Forschung zurückzunehmen und die im Koalitionsvertrag der Bundesfraktionen festgehaltenen Reformen beim BAföG (u. A. Verlängerung der Förderhöchstdauer) umzusetzen;

 

2. sich auf Bundesebene und im Verwaltungsrat der KfW-Bank dafür einzusetzen, dass die Studienkreditzinsen auf 5 Prozent gedeckelt werden;

 

sowie
  • Sina Koriath
  • Maryam Blumenthal
  • Miriam Block
  • René Gögge
  • Dr. Adrian Hector
  • Farid Müller
  • Ivy May Müller
  • Lena Zagst
  • Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion