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Eine zukunftssichere Trinkwasser-Agenda zu einer Hamburger Wasserstrategie weiterentwickeln

Mittwoch, 08.11.2023

Der Trinkwasserversorgung kommt unter den Bedingungen der Klimaveränderung eine steigende, überlebenswichtige Bedeutung zu. Um die Versorgung auch in Hamburg in den kommenden Jahrzehnten sicherzustellen, müssen umfangreiche, regionale und überregionale Maßnahmen entwickelt und umgesetzt werden, die die langfristig verlässliche und zukunftssichere Wasserversorgung gewährleisten. SPD und Grüne haben aus diesem Grund bereits im Koalitionsvertrag die Erstellung einer Trinkwasser-Agenda festgeschrieben. Deren Finanzierung muss auf eine breite Basis gestellt werden, wobei auch vom Bund ein Finanzierungsbeitrag geleistet werden muss, beispielsweise aus dem Programm "Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz“ (4 Milliarden Euro), dem Sofortprogramm „Klimaanpassung“ oder durch die Weiterentwicklung bzw. das Schaffen von Finanzierungsinstrumenten. Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch die Nationale Wasserstrategie, die der Bund gemeinsam mit den Ländern erarbeitet hat. Diese beinhaltet knapp 80 konkrete Maßnahmen, um die Trinkwasserversorgung zu sichern, Schadstoffeinträge in unser Wasser zu vermindern und die Wasserhaltung in der Natur zu verbessern. Die Umsetzung der Strategie wird Hamburg konstruktiv begleiten und sich für eine zügige und verbindliche Umsetzung einsetzen. Die Strategie für eine Trinkwasser-Agenda, an deren Entwicklung die Umweltbehörde bereits arbeitet, soll deshalb eine Kombination entsprechender Vorschläge enthalten und zu einer Hamburger Wasserstrategie ausgebaut werden.

Inzwischen beobachten wir nicht nur weltweit, sondern gerade auch in Deutschland sinkende Grundwasserstände. Gleichzeitig verbrauchen wir mehr Wasser, weil nachweislich Hitzetage zunehmen. Deshalb muss die private und industrielle Wassernutzung der Klimakrise angepasst werden. Eine im März 2022 veröffentliche Studie aus den USA, die sich auf die Auswertung von Satellitendaten stützt, belegt insbesondere für Deutschland einen besonders hohen Wasserverlust über die letzten 20 Jahre (vgl. NASA Satellites Reveal Major Shifts in Global Freshwater).

Bereits auf einer gemeinsamen Konferenz im Juni 2021 erfolgte eine Erklärung der für die Anpassung an den Klimawandel federführenden Minister, der Senatorin und dem Senator der norddeutschen Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Unter dem Titel „Nicht genug oder doch zu viel – ein neuer Umgang mit Wasser. Strategien und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels“, wurde eine entsprechende Zusammenarbeit vereinbart, um den fachlichen Austausch über Ländergrenzen hinweg zu diesem Themenkomplex zu intensivieren.

Analog zur Drucksache 21/5404 vom 26. Juli 2016 wird bereits unter Einbeziehung neuster wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Entwicklung der Einwohner*innenzahl Hamburgs ein neuer derzeit in Bearbeitung befindlicher, aktualisierter Statusbericht zur Trinkwasserversorgung für Hamburg von der Umweltbehörde erstellt und in Kürze vorgelegt werden. Die auch in Hamburg zunehmenden Dürresommer sind nur ein Anzeichen für zunehmende Risikofaktoren, die die Wasserversorgungssicherheit gefährden. Die Zuspitzung der Klimakrise führt zu mehr Verdunstung durch höhere Temperaturen, während durch Starkregenereignisse mehr Wasser zu schnell abfließt und in Grundwasserkörpern nicht ankommt.

Die Bereitstellung von Trinkwasser für Bevölkerung, Industrie und Landwirtschaft in ausreichender Menge und guter Qualität ist eine der wichtigsten Kernaufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge. Bereits nach Einschätzung des erwähnten Berichts von 2016, der auf Zahlen von 2014 beruht, ist die Versorgungssicherheit innerhalb des Versorgungsgebietes von „Hamburg Wasser“ für den Zeitraum bis 2045 knapp gewährleistet. Auch muss die Trinkwasserversorgung unter sonstigen Krisenbedingungen, wie zum Beispiel Blackouts, gewährleistet werden können. Das Risikomanagement von plötzlich auftretenden Krisensituationen bedarf der stetigen Entwicklung und Anpassung von Instrumenten zur Versorgungssicherung.

Laut Statistischen Bundesamt wurden 2019 in Deutschland rund 20 Milliarden Kubikmeter Wasser aus den Grund- und Oberflächengewässern entnommen. Das entspricht einer Wasserentnahme von rund 11 Prozent des sogenannten Wasserdargebots. Hamburg verfügt dank weiterhin gleichbleibender oder sogar zunehmenden Regenwassermengen im Winter und dank seines gut aufgestellten öffentlichen Unternehmens über beste Voraussetzungen. Hamburg Wasser versorgt zurzeit 2,2 Millionen Menschen täglich mit Trinkwasser. 330.000 m³ Trinkwasser werden für die Kund*innen täglich produziert. Diese Versorgung muss in der hervorragenden Qualität auch zukünftig gewährleisten werden. Entsprechende Voraussetzungen sollen mit einer Trinkwasser-Agenda geschaffen werden.

Durch die Zunahme von Dürreperioden in Europa und auch in Deutschland steigt der Nutzungsdruck auf Wasservorkommen. Immer mehr Menschen und Gruppierungen, Industrie und Gewerbe, zunehmend auch landwirtschaftliche Betriebe, wollen Oberflächen- und Grundwasser nutzen. Im März 2023 hat die Bundesregierung eine Nationale Wasserstrategie aufgelegt, auf der Hamburg mit einer eigenen Trinkwasser-Agenda aufbauen kann, die die Wasserversorgung langfristig sichert und auch überregional sicherstellt, wobei Trinkwasser Priorität hat.

Gleichzeitig muss die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und anderen lebenswichtigen Gütern aufrechterhalten werden. Hier kommt einer regenerativ arbeitenden, nachhaltigen Landwirtschaft eine hohe Bedeutung zu. Industrielle Landwirtschaft hat vielfach zu ausgelaugten Böden mit niedrigem Humus-Gehalt und hohen Biodiversitätsverlusten geführt. Diese Böden können immer weniger Wasser speichern. Nachhaltige Landwirtschaft, insbesondere Öko-Landbau, hat deshalb das Potential, Teil der Lösung für die Krisen unserer Zeit zu sein, da die Böden einer solchen regenerativen Landwirtschaft, humusreicher sind und CO2 und Wasser besser speichern.

Eine zu erstellende Trinkwasser-Agenda muss unter knapper werdenden Grundwasservorkommen insofern auch darlegen, wie sich der gesamte Wasserverbrauch bei Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und Privathaushalten besonders in wasserbedürftigen Sommermonaten entwickelt und reguliert werden kann, um eine Minimierung des Trinkwasserverbrauchs herbeizuführen. Der Fokus soll dabei auch auf Grundwasserneubildung und Trinkwassersubstitution gesetzt werden.

Eine zentrale Rolle kommt dabei auch einer insgesamt gewässersensiblen Stadtentwicklung („Schwammstadt“) zu, die z. B. für dezentrale Straßenentwässerung und mit Regengärten bepflanzte Versickerungsflächen sorgt. Hamburg wird damit und mit den Plänen für eine blau-grüne Infrastruktur (siehe auch Drs. 22/12947) gegen Hitzeperioden und Starkregen gewappnet.

Momentane Wasserpreise sind weiterhin so gering, dass sie in der Vergangenheit zu sorglosem Wasserverbrauch geführt haben. Deshalb soll in Beratung und Austausch mit anderen Bundesländern und unter Einbeziehung von Bevölkerung, Wirtschaftsbetrieben und Landwirtschaft dargelegt werden, wie monetäre Steuerungsansätze verändert bzw. eingeführt werden können. Dabei sollen ebenfalls Vorschläge erarbeitet werden, wie die Gestaltung der Wasserpreise sozial gerecht erfolgen kann, insbesondere beim Trinkwasser, aber auch unter Berücksichtigung weiterer Wasserpreise für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft. Regeln für Nutzungskonflikte müssen vorbereitet und Hamburger Bedürfnisse mit Bundesbedürfnissen abgeglichen und ggf. koordiniert werden. Dabei soll auch dargelegt werden, inwieweit die Abschaffung von teilweise überflüssigen Ausnahmen beim Wasserentnahmeentgelt als auch die Einführung von Entgelten, die den tatsächlichen ökologischen Kosten entsprechen, möglich sind und wie diese entsprechend angepassten Einnahmen zweckgebunden eingesetzt werden können für Maßnahmen zur Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie, zur konsequenten Erfassung und zum Monitoring der Wasserentnahmen.

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen soll eine Trinkwasser-Agenda mit einer langfristigen Perspektive erstellt werden, die Zukunftsperspektiven für 2050 und 2100 darlegt und bereits Größenordnungen für auskömmliche Haushaltsmittel aus Länder- und Bundessicht für die kommenden Haushaltsjahre benennt, um diese parlamentarisch in die zukünftigen Haushaltspläne einzubringen.

 

 

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:

 

Der Senat wird ersucht,

 

1. darzulegen, welche Anforderungen für Hamburg aus der Nationalen Wasserstrategie des Bundes resultieren und inwiefern die Nationale Wasserstrategie das Erreichen der Ziele der Hamburger Trinkwasser-Agenda unterstützt,

 

2. darzulegen, welche Förderprogramme des Bundes für die Umsetzung der Trinkwasser-Agenda zur Verfügung stehen,

 

3. darzulegen, wie die Trinkwasserversorgung in klimabedingten Extremsituationen (zum Beispiel Dürreperioden) und unter sonstigen Krisenbedingungen (zum Beispiel Blackout) sichergestellt wird und welche Instrumente dazu gegebenenfalls im Hinblick auf zukünftige Herausforderungen noch zu entwickeln sind,

 

4. darzulegen, mit welchen Maßnahmen der Klimaanpassung gleichzeitig positive Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgungssicherheit bewirkt werden (zum Beispiel Grundwasserneubildung, Trinkwassersubstitution),

 

5. darzulegen, wie die Trinkwasserversorgungssicherheit durch Minimierung des Trinkwassergebrauchs in anderen Sektoren (z. B. Stadtgrün, Agrarwirtschaft) zukünftig erhöht werden kann,

 

6. darzulegen, wie die Systematik der Wasserpreise im Hinblick auf das Zieldreieck auskömmliche Finanzierung der Wasserversorgung, Anreiz zum Wassersparen und Sozialverträglichkeit weiterentwickelt werden kann,

 

7. im Hinblick auf die unter 3. und 4. zu entwickelnden Instrumente und Maßnahmen, Größenordnungen für die benötigten finanziellen Mittel (gegebenenfalls unterschieden nach konsumtiven beziehungsweise investiven Anteilen) zu ermitteln,

 

8. der Bürgerschaft über alle vorgenannten Punkte im Rahmen einer Trinkwasser-Agenda zum 30.06.2024 zu berichten und dabei Zukunftsszenarien für eine umfassende Hamburger Wasserstrategie für kommende Generationen aufzuzeigen.

 

 

 

sowie
  • Andrea Nunne
  • Eva Botzenhart
  • Rosa Domm
  • Olaf Duge
  • Sonja Lattwesen
  • Dominik Lorenzen
  • Zohra Mojadeddi
  • Johannes Alexander Müller
  • Lisa Maria Otte
  • Dr. Miriam Putz
  • Ulrike Sparr (GRÜNE) und Fraktion