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Maßnahmen zur Bewältigung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Hochschulbereich – Verlängerung der Regelstudienzeit und der Beamtenverhältnisse auf Zeit an Hochschulen

Mittwoch, 19.08.2020

Das Sommersemester 2020 war und ist für Studierende eine besondere Herausforderung. Den Hamburgischen Hochschulen ist es zu Beginn des Semesters beeindruckend schnell gelungen, einen großen Teil ihrer Lehre auch digital anzubieten, so dass der Lehrbetrieb unter den besonderen Bedingungen der COVID-19-Pandemie zu einem großen Teil gewährleistet war. Dennoch gehen der Lernalltag der Studierenden und damit auch die Prüfungsvorbereitungen mit Erschwernissen und Einschränkungen einher, die auch Auswirkungen auf den weiteren Studienverlauf haben können.

 

Die Bundesländer waren sich früh darin einig, dass den Studierenden durch die wegen der COVID-19-Pandemie nötigen Beschränkungen möglichst keine Nachteile entstehen sollen. Das betrifft die Vermeidung von finanziellen Nachteilen aber auch die Vermeidung von Nachteilen durch einen nicht regelhaften Studienverlauf im Sommersemester 2020.

 

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat zwar sichergestellt, dass die staatliche Unterstützung von Studierenden nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in pandemiebedingten Fallkonstellationen weitergezahlt wird, zu einer Anpassung der BAföG-Systematik, um pandemiebedingte Verzögerungen auszugleichen und damit eine bundeseinheitliche Regelung zu schaffen, war das Bundesministerium aber nicht bereit. Die Ablehnung erfolgte mit Verweis auf die Möglichkeit der Länder, die Regelstudienzeit im Hochschulrecht zu ändern. Nach dem BAföG entspricht die Förderungshöchstdauer der Regelstudienzeit. Die Festlegung der Regelstudienzeit fällt in die Kompetenz der Länder. Durch eine Verlängerung der für diese Zwecke einzuführenden individuellen Regelstudienzeit soll die Antragstellung für den weiteren Bezug von Leistungen nach dem BAföG vereinfacht werden.

 

Falls der Bund bei seiner ablehnenden Haltung bleibt und die notwendigen Vereinfachungen zum Leistungsbezug in Fällen von pandemiebedingten Verzögerungen nicht auf den Weg bringt, soll der Senat kurzfristig in der Lage sein, diese Sonderregelung zu Gunsten der Studierenden rasch zu verlängern. Hierzu wird ihm die Befugnis im Wege einer Ermächtigung zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung verliehen.

 

Besonders betroffen sind auch diejenigen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung in einem Zeitbeamtenverhältnis beschäftigt sind. Diese Beamtenverhältnisse unterliegen gesetzlich begrenzten Amts- und Verlängerungszeiträumen. Die pandemiebedingten Einschränkungen des Hochschulbetriebs ebenso wie die erhöhte zeitliche Inanspruchnahme durch familiäre Betreuungsaufgaben führen zu erheblichen Verzögerungen. Auf Bundesebene wurde deshalb das Wissenschafts- und Studierendenunterstützungsgesetz beschlossen (BGBl. S. 1073), wonach die Höchstbefristungsgrenzen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) als zeitlich begrenzte Übergangsregelung um die Zeit pandemiebedingter Einschränkungen des Hochschul- und Wissenschaftsbetriebs verlängert wurden. Diese Maßnahme greift indes nur für die privatrechtlich Beschäftigten. In den Hochschulen besteht jedoch auch ein entsprechender Verlängerungsbedarf für die akademischen Rätinnen und Räte sowie die Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren. Die Regelung des WissZeitVG soll deshalb auf die genannten Zeitbeamtenverhältnisse im Hochschulbereich übertragen werden.

 

Hinsichtlich der Ausbildungsförderung ist weiterhin eine Regelung auf Bundesebene anzustreben, die über die Gruppe der Studierenden hinaus alle Empfängerinnen und Empfänger umfasst. Diese Regelung kann so formuliert werden, dass sie auch gilt, falls eine vergleichbare Lage erneut auftritt. Hierfür soll eine Bundesratsinitiative eingebracht werden.

 

 

I. Die Bürgerschaft möge daher das folgende Gesetz beschließen:

 

Gesetz

zur Bewältigung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Hochschulbereich

 

Vom ….

 

§ 1

 

(1) Für die im Sommersemester 2020 in einem Studiengang an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule in Hamburg immatrikulierten und nicht beurlaubten Studierenden gilt eine von der Regelstudienzeit nach § 53 Absätze 1 und 2 des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) vom 18. Juli 2001 (HmbGVBl. S. 171), zuletzt geändert am 26. Juni 2020 (HmbGVBl. S. 380, 382), abweichende um ein Semester verlängerte individuelle Regelstudienzeit.

 

(2) Beamtenverhältnisse auf Zeit gemäß § 19 Absatz 1 und § 28 Absatz 2 HmbHG, die zwischen dem 1. März und dem 30. September 2020 bestehen, können auf Antrag um bis zu sechs Monate über die jeweils in diesen Vorschriften genannte Höchstdauer verlängert werden. § 24 HmbHG bleibt unberührt.

 

§ 2

 

(1) Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung

1. auch für Zeiträume nach dem Sommersemester 2020, in denen ein regulärer Studienbetrieb pandemiebedingt nicht oder nicht in ausreichendem Maße möglich ist, zu bestimmen, dass eine von der Regelstudienzeit abweichende, entsprechend § 1 Absatz 1 verlängerte individuelle Regelstudienzeit gilt und

2. die Verlängerung der Beamtenverhältnisse auf Zeit nach § 1 Absatz 2 um höchstens weitere sechs Monate zuzulassen.

 

(2) Der Senat kann Ermächtigungen nach Absatz 1 durch Rechtsverordnung auf die zuständige Behörde weiter übertragen.

 

§ 3

 

§ 1 tritt mit Wirkung vom 9. März 2020 in Kraft. Im Übrigen tritt dieses Gesetz am Tage nach der Verkündung in Kraft und mit Ablauf des 31. März 2022 außer Kraft.

 

II. Die Bürgerschaft möge ferner beschließen, den Senat zu ersuchen,

sich im Bundesrat und ergänzend in geeigneter Weise auf Bundesebene dafür ein-zusetzen, dass dem § 15 Bundesausbildungsförderungsgesetz folgender Absatz 4 angefügt wird:

„(4) Zeiträume, in denen ein regulärer Schul-, Studien- oder sonstiger Ausbildungs-betrieb aufgrund einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes nicht oder nicht in ausreichendem Maße möglich ist, stellen schwerwiegende Gründe nach Absatz 3 Nummer 1 dar. Zum Nachweis der Voraussetzungen des Satzes 1 genügt in der Regel eine einfache Bescheinigung der Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte, dass die Ausbildung des jeweils Auszubildenden aufgrund von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht möglich oder erheblich eingeschränkt war.“?

Begründung zu I.

 

§ 1

 

Absatz 1

Um Benachteiligungen beim BAföG-Bezug zu vermeiden wird das Rechtsinstitut der „individuellen Regelstudienzeit“ mit der Folge entsprechend verlängerter Förderungshöchstdauern (§ 15a Absatz 1 BAföG) für BAföG-geförderte Studierende eingeführt. Es handelt sich dabei um eine einmalige Reaktion auf die pandemiebedingt veränderte Situation für Studierende im Sommersemester 2020. Eine über diesen Sonderfall des Sommersemesters 2020 hinausgehende Individualisierung der Regelstudienzeit ist damit nicht verbunden. Die generelle Regelstudienzeit ist und bleibt die Bezugsgröße, die auf einer generellen Betrachtung des Studiengangs beruht. Die Studiengänge müssen jederzeit so angeboten werden, dass sie in der (generellen) Regelstudienzeit gemäß § 53 HmbHG abgeschlossen werden können. Die Vorschrift begründet auch keine Änderung in der Bestimmung der Regelstudienzeit und der Zählung des Verbleibs in der Regelstudienzeit in der amtlichen Statistik und den an sie anknüpfenden Berechnungssystemen. Für die Meldung zur amtlichen Statistik gemäß § 3 HStatG ist ausschließlich die (generelle) Regelstudienzeit gemäß § 53 HmbHG maßgeblich.

 

 

Absatz 2

Entsprechend den coronabedingten Änderungen im Wissenschaftszeitvertrags-gesetz (§ 7 Absatz 3 WissZeitVG) wird für die Zeitbeamtenverhältnisse, die der wissenschaftlichen Qualifizierung dienen, eine Verlängerungsoption über die sonst geltenden Höchstfristen hinaus eingeräumt. Diese erfasst die Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren gemäß §§ 18 und 19 HmbHG und die Akademischen Rätinnen und Räte gemäß § 28 Absatz 2 HmbHG. Diese werden von den Bestimmungen des WissZeitVG nicht erfasst, befinden sich aber in einer vergleichbaren Situation und benötigen im Einzelfall einen Nachteilsausgleich. Hierbei handelt es sich im Hinblick auf die übrigen Verlängerungstatbestände um eine gesonderte zusätzliche Option, die unbeschadet der Verlängerungsmöglichkeiten des § 24 HmbHG geschaffen wird und allein dazu dient, etwaige Einschränkungen der wissenschaftlichen Arbeit aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie aufzufangen.

 

Die Verlängerung der genannten Zeitbeamtenverhältnisse erfolgt nicht automatisch. Die Vorschrift begründet auch keinen Anspruch auf Verlängerung des Dienstverhältnis¬ses, sondern nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch die Hochschule. Es reicht, wenn das Zeitbeamtenverhältnis auch nur teilweise in den genannten Bezugszeitraum fällt, um die Verlängerungsoption auszulösen. Bereits beendete Zeitbeamtenverhältnisse leben jedoch nicht wieder auf.

 

 

 

 

§ 2

 

Absatz 1

Wenn der Bund bei seiner ablehnenden Haltung gegenüber einer Anpassung der BAföG-Systematik bleibt und pandemiebedingte Verzögerungen im Studienbetrieb fortbestehen, kann der Senat im Verordnungswege die Fortgeltung der gesetzlichen Regelungen anordnen.

 

Entsprechend den Vorgaben des WissZeitVG kann die Verlängerungsoption für Zeitbeamtenverhältnisse auch per Rechtsverordnung einmalig um weitere sechs Monate ausgedehnt werden. Dies setzt voraus, dass die Beschränkungen anlässlich der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie fortbestehen.

 

Absatz 2

Hiermit wird dem Senat ermöglicht, die Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen, die sich aus diesem Gesetz ergeben, auf die Fachbehörden zu übertragen. Die zuständige Behörde wäre in diesem Fall die Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke.

 

§ 3

 

Das Sommersemester 2020 hat an der HAW Hamburg bereits am 9. März 2020 begonnen. Daher orientiert sich die Rückwirkung von § 1 an diesem Zeitpunkt.

 

Begründung zu II.

Um langfristig Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Hochschulbereich zu bewältigen, ist die Bundesregierung gefordert, hier tätig zu werden und entsprechend eine Ergänzung des Bundesgesetzes anzustoßen.

 

Satz 1 stellt klar, dass für Zeiträume, in denen eine epidemische Lage von nationaler Tragweite nach den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes festgestellt ist und aufgrund dieser Lage die Ausbildung an den Hochschulen oder anderen Ausbildungsstätten beeinträchtigt ist, schwerwiegende Gründe im Sinne des § 15 Absatz 3 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bestehen, die zu einer Verlängerung der Förderungshöchstdauer führen. Ob der Ausbildungsbetrieb nicht in ausreichendem Maße möglich ist, kann für verschiedene Empfängerinnen und Empfänger der Ausbildungsförderung unterschiedlich zu beurteilen sein. Satz 2 soll den bisher sehr aufwändigen Nachweis der Voraussetzungen erleichtern, indem bestimmt wird, dass in der Regel eine einfache Bescheinigung der Ausbildungsstätte genügt, wonach die individuelle Ausbildung aufgrund von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht möglich oder erheblich eingeschränkt war. Ausnahmen von dieser Regel sind nicht nur im Hinblick auf einzelne Empfängerinnen und Empfänger der Ausbildungsförderung möglich, sondern auch im Hinblick auf einzelne Ausbildungsträger. So kann auch einem etwaigen Missbrauch insbesondere durch private Ausbildungsträger begegnet werden.

 

sowie
  • der Abgeordneten Miriam Block
  • Maryam Blumenthal
  • Sina Demirhan
  • Rosa Domm
  • Mareike Engels
  • Alske Freter
  • Gerrit Fuß
  • René Gögge
  • Ivy May Müller
  • Yusuf Uzundag
  • Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion