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Mit 3D-Röntgenlichttechnologie Deutschland als Wissenschafts-, Start-up- und Industrie-Standort im weltweiten Technologiewettbewerb stärken

Mittwoch, 13.09.2023

Unsere Welt befindet sich im Umbruch: Die notwendigen Transformationen hin zu mehr technologischer Souveränität, zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz, der demografische Wandel sowie die Digitalisierung fordern uns als gesamte Gesellschaft heraus. Für die anstehenden, massiven Veränderungen brauchen wir in Hamburg, Deutschland und Europa innovative hochtechnologische Lösungen und eine effizientere Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.

 

Mit einer Weiterentwicklung der bestehenden Positron-Elektron-Tandem-Ring-Anlage (PETRA III) plant das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) eine Röntgenlichtquelle der nächsten Generation. PETRA IV soll als 3D-Röntgenmikroskop die Bildgebung auf der atomaren Ebene revolutionieren. Insbesondere würden sich Naturphänomene im Nanokosmos live und zerstörungsfrei filmen lassen.

 

Mit ultrahellem Röntgenlicht wollen Forschende Naturphänomene und technische Prozesse in neuen Dimensionen untersuchen – vom Millimeterbereich bis hinunter zur Nanoebene. PETRA IV ermöglicht Materialdesign auf atomarer Ebene und würde zur zentralen Forschungsinfrastruktur eines datenbasierten Lösungsökosystems für Forschung und Industrie in der Science City Hamburg-Bahrenfeld werden. Analytische Fragestellungen, deren Beantwortung mit der bisherigen Technologie rund ein Jahr benötigen, könnten mit PETRA IV in weniger als einem Tag gelöst sein. Die bei PETRA IV gewon-nenen Daten bildeten den Ausgangspunkt für wertschöpfendes Wissen, unter anderem für systemrelevante Branchen wie dem Halbleiter-, Pharma- und Medizintechnik-, Mobilitäts- und Energiesektor sowie für die Biotechnologie. Informationen auf der atomaren Ebene sind ebenso essentiell für die Entwicklung neuartiger Energiematerialien, die grüne Chemie oder für die nächste Generation der Mikro- und Nanoelektronik. PETRA IV kann damit einen entscheidenden Beitrag in der Beantwortung drängender Fragen für eine nachhaltige und souveräne Zukunft leisten.

 

Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hängt entscheidend von einer Modernisierung der Technologie- und Prozesssouveränität in wichtigen Technologiezweigen wie zum Beispiel der Chipindustrie ab. Ein vertieftes Verständnis und die Kontrolle von Strukturen und Mechanismen auf atomarer und molekularer Ebene ist dafür unverzichtbar. Rönt-genanlagen in zum Beispiel China, den USA, Japan und der Schweiz werden aktuell auf die nächste Generation ausgebaut. Bei Inbetriebnahme könnte PETRA IV im internationalen Vergleich jedoch die höchste Leistungsstärke und damit Innovationswirkung haben.

Im Rückschluss bedeutet dies dass, wenn PETRA IV an der Finanzierung scheitert, Deutschland und auch Europa als zentraler Wissensstandort für Röntgenanalytik durch die USA, Brasilien und Asien abgelöst wird. Die schnelle und effiziente Datenverarbeitung und -auswertung, die PETRA IV ermöglicht, macht Röntgenanalytik für die Anwendung und damit für die Industrie erst wirklich relevant. Wenn Deutschland sich in diesem Bereich nicht aufrüstet, gehen uns zum einen Transformationserfolge z. B. im Bereich Klimawandel, die sich aus Forschungsergebnisse ergeben, als auch ganz konkret Arbeitsplätze durch die Abwanderung von Industrie verloren.

 

 

Folglich ist PETRA IV für Hamburg, Deutschland und Europa eine Investition von herausragender und entscheidender Bedeutung:

 

1. Durch PETRA IV würde unser Wissenschaftsstandort erheblich im weltweiten Wettbewerb gestärkt. Die Einzigartigkeit der 3D-Röntgenquelle erzeug eine breite Sogwirkung für die besten Köpfe der internationalen Wissenschaftscommunity. Davon werden neben den Einrichtungen vor Ort der gesamte Wissenschaftsstandort Hamburg sowie der Standort Deutschland insgesamt profitieren.

2. PETRA IV würde den Industrie-Standort Deutschland stärken. Die forschende Industrie in systemrelevanten Branchen würde von den Möglichkeiten und der Geschwindigkeit der Analyse profitieren und der Transfer der Forschungsergeb-nisse würde Entwicklungen z. B. in den Bereichen der Medikamenten- und Therapieforschung, Halbleiter-Technologien, Wasserstoff und Energie- und nachhaltigen Materialien entscheidend vorantreiben. Auch die in Hamburg ausgeprägte Landschaft der materialbasierten Industrie würde vom Ökosystem PETRA IV profitieren. Disruptive Innovationen würden besonders in diesem Themenfeld von Hamburg ausgehen und so die Wettbewerbsfähigkeit der Hamburger Industrie si-chern und ausbauen. Darüber hinaus würde PETRA IV für industrielle Ansiedlungen sorgen, die ansonsten in anderen Regionen Europas erfolgten.

3. Die Science City Hamburg-Bahrenfeld würde mit PETRA IV eine weltweit einmalige Infrastruktur erhalten und sich hiermit im Vergleich zu anderen Start-Up Öko-systemen in Europa und der Welt abheben. Damit würde Deutschland als Start-up-Standort insgesamt und insbesondere in zentralen Bereichen wie Deep-Tech gestärkt. Deep-Tech Gründungen erhielten durch die unmittelbare Nähe zu PET-RA IV die Möglichkeit, datenbasierte Entwicklungen zu kommerzialisieren und erfolgreich zu inkubieren.

 

Die Weiterentwicklung von PETRA III zur 3D-Röntgenquelle PETRA IV ist ein hoch anspruchsvolles Infrastrukturprojekt mit komplexen Baumaßnahmen, hochtechnologischen Instrumenten und Laborinfrastrukturen. Die Kosten des Vorhabens lie-gen nach derzeitigem Erkenntnisstand (Preisbasis 2022) bei rund 1,5 Milliarden Euro, wovon 1,37 Milliarden Euro als Zuwendung benötigt werden. Ein Inflationsausgleich über die Projektlaufzeit ist mit den Zuwendungsgebern vor Projektstart zu verhandeln.

 

Angesichts des internationalen Wettbewerbsdrucks hat DESY einen ehrgeizigen Zeitplan entwickelt. Dabei wurden Erfahrungen zur Inbetriebnahme international vergleichbarer Strahlquellen berücksichtigt. Darauf basierend ist davon auszugehen, dass sich die Innovationsgeschwindigkeit bei Inbetriebnahme um einen Faktor 500 bis 1.000 erhöht. Ohne PETRA IV wären in Deutschland somit mehrere Jahre für Erkenntnisse nötig, welche in China, den USA oder Japan bereits in wenigen Tage oder Wochen vorlägen. Ohne positive Entscheidung zu PETRA IV droht Deutschland im internationalen Technologiewettbewerb weiter massiv zurückzufallen.

 

Für die Umsetzung des ambitionierten Zeitplans ist es notwendig, bis spätestens zum Jahreswechsel 2023/2024 eine politische Gesamtentscheidung für das Projekt zu treffen. DESY muss zügig mit den Vorbereitungen beginnen, um spätestens 2026 mit dem Hauptprojekt beginnen zu können.

 

Angesichts der hohen industriellen sowie wissenschaftlichen Bedeutung des Vorhabens ist Hamburg bereits jetzt bereit, Verantwortung zu übernehmen und mit behördenübergreifenden Vorarbeiten die Umsetzung des Vorhabens zu beschleunigen. Zur Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen wurden seitens der Freien und Hansestadt Hamburg bereits jetzt Investitionen getätigt, zum Beispiel:

1. Sportplätze Stiefmütterchen Weg

Zur Baufreiheit für die neue Experimentierhalle wird eine Neuordnung der vom Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen LIG vorausschauend erworbenen Sportanlage notwendig. Hierzu hat DESY mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) eine Studie bei Gebäudemanagement Hamburg (GMH) in Auftrag gegeben. Diese Studie soll nun federführend durch das Bezirksamt Altona und unterstützend durch die Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke (BWFGB) mit der GMH als Realisierungsträger umgesetzt werden. Parallel dazu erfolgt die Übertragung der Sportanlage an das Bezirksamt Altona.

2. GAB - Girder Assembly Building

Zur Montage der Girder (hochpräzise Montage des Beschleunigers auf modularen Bauteilträger) müssen die Magnete und Bauteile auf 30 Mikrometer genau montiert werden, um die neue Dimension des Strahls und die dafür notwendige Präzision zu erreichen. DESY verfügt aktuell nicht über eine geeignete Montagehalle. Der LIG hat ein Planungsbüro mit der Planung der GAB beauftragt und wird auch den Bau durchführen lassen. Somit steht die GAB mit Projektgenehmigung zur Verfügung und stellt somit den zeitlichen Ablauf sicher.

3. Verlegung von 110 kV Trasse

Um einen reibungslosen Bauverlauf und die Medienversorgung im westlichen Bereich des Campus sicherzustellen, wird eine 110 kV Trasse (3 110kV Leitungen und weitere 50 Mittelspannungskabel) durch Stromnetz Hamburg in Abstimmung mit Bezirksamt Altona, Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) und BSW verlegt.

4. Schaffung des notwendigen Planrechts

Die BSW hat die Federführung zur Schaffung des Planrechts und stellt das notwendige Planrecht bis zum ersten Quartal 2024 sicher. Somit steigt die Sicherheit zur Umsetzung des Projekts erheblich und es werden mögliche Planungsrisiken verbunden mit Mehrkosten minimiert.

Hamburg hat bereits früh das Potential von PETRA IV erkannt. Hamburg erwartet jetzt im Interesse des Forschungs- und Technologiestandortes Deutschland vom Bund eine kurzfristige Entscheidung zu PETRA IV.

Hamburg ist sich der großen Bedeutung von PETRA IV für die Wissenschaft und Wirtschaft bewusst und sichert deshalb bereits heute politisch den nötigen Hamburger Finanzierungsanteil zu. DESY braucht jetzt schnell Planungssicherheit. Die Freie und Hansestadt Hamburg unterstützt darüber hinaus das Ansinnen DESY’s, parallel zum Begutachtungsprozess des Projektes bereits ein „PETRA IV Readiness Project“ in den Jahren 2024/2025 aufzusetzen, um einen reibungsfreien Start des Projektes spätestens 2026 zu garantieren. Das Gesamtvolumen des Vorprojektes ist mit 100 Millionen Euro (20 Millionen Euro in 2024 und 80 Millionen Euro in 2025) angesetzt.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. sich auf Bundesebene für die zeitnahe Realisierung von PETRA IV einzusetzen. Eine Finanzierung von PETRA IV soll spätestens 2026 beginnen.

2. den Hamburger Anteil der Gesamtfinanzierung von 10 Prozent der Gesamtkosten sicherzustellen und der Bürgerschaft einen Finanzierungsvorschlag für den gesamten Förderzeitraum vorzulegen.

 

sowie
  • Maryam Blumenthal
  • Miriam Block
  • René Gögge
  • Dr. Adrian Hector
  • Sina Koriath
  • Farid Müller
  • Ivy May Müller
  • Lena Zagst
  • Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion