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Weiterentwicklung des Umweltleitfadens in der öffentlichen Beschaffung

Mittwoch, 31.01.2024

Weltweit werden derzeit über 350.000 chemische Stoffe und Gemische eingesetzt, auf deren Nutzung wir in der Industrie, Landwirtschaft und Pharmazie angewiesen sind. Viele Entwicklungen und Anwendungen werden erst durch den Einsatz von Chemikalien ermöglicht. Anti-Haft-Beschichtungen oder Schutzbekleidungen erhalten beispielsweise nur mittels chemischer Substanzen ihre notwendigen Eigenschaften. Die Vorzüge der umfangreichen Chemikaliennutzung haben unter Umständen einen Preis, denn eine nicht zu vernachlässigende Anzahl dieser Substanzen haben sowohl auf Ökosysteme als auch auf die menschliche Gesundheit negative Auswirkungen. Kinder und Jugendliche gelten dabei als besonders vulnerable Gruppen. Im Kinder- und Jugendalter kann der Einfluss schädlicher Substanzen zu Entwicklungsstörungen bzw. Allergien führen und schon bei ungeborenen Kindern können schädigende Substanzen im Blut der Mutter einen negativen Einfluss auf die Entwicklung des Gehirns bewirken.

Noch dazu können Chemikalien mittlerweile überall auf der Welt nachgewiesen werden: Von den Hochgebirgen und Ozeanen bis hin zu den tiefen Eisschichten der Arktis und Antarktis.

Auf Grund ihrer Risiken für die Umwelt und die Gesundheit wurde die Herstellung, die Verwendung und das Inverkehrbringen bestimmter Chemikalien bereits beschränkt oder verboten, wie etwa das Insektizid Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) in den 1970er Jahren. Zu einigen Chemikalien liegen jedoch nur unzureichende Informationen über deren Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit vor, was eine Risikobetrachtung erschwert.

Innerhalb der EU wird die Herstellung, die Verwendung und das Inverkehrbringen von Chemikalien durch die Chemikalienverordnung (REACH-VO) geregelt. Über diese schafft die EU für Hersteller*innen, Händler*innen und Konsument*innen einen rechtlich sicheren Handlungsrahmen für die Nutzung der unterschiedlichen Chemikalien. Die Verwendung von Perfluoroctansulfansäure (einer chemischen Verbindung aus der Stoffgruppe der PFAS) ist seit Juni 2012, die von Perfluoroctansäure (PFOA) seit Januar 2015 beschränkt, teilweise verboten. Perfluorierte Carbonverbindungen (C9-C14-PFCA) sind in der EU seit Februar 2023 beschränkt oder verboten. Auf europäischer Ebene wird außerdem an der Beschränkung aller per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) gearbeitet. Die Entscheidung über den Beschränkungsvorschlag wird noch einige Zeit beanspruchen.

Auf der anderen Seite ist die große Bedeutung der chemischen Industrie für Hamburg, Deutschland und Europa ganz klar: Viele chemische Stoffe sind für die Produktion wichtiger Güter unabdingbar. Diese Produktionen in Europa zu halten und weiter zu ermöglichen – besonders in den aktuellen Zeiten – ist unabdingbar.

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat die Thematik bereits früh erkannt und Maßnahmen ergriffen. Der Leitfaden zur umweltverträglichen Beschaffung (Umweltleitfaden) bestimmt schon seit 2016 die ökologischen Rahmenbedingungen für den öffentlichen Einkauf der Stadt. Dadurch wird Hamburg als großer Abnehmer von Produkten und Dienstleistungen seiner Vorbildrolle gerecht. Dabei werden die zu beschaffenden Produkte auch hinsichtlich ihrer chemischen Komponenten bewertet. Der Umweltleitfaden wird derzeit zu einem Nachhaltigkeitsleitfaden weiterentwickelt. In diesem Zusammenhang sollten die Einflussmöglichkeiten der Stadt Hamburg über die öffentliche Beschaffung weiter genutzt werden, um auch bei der Reduktion von Chemikalien mit besonders hohen Risiken für Gesundheit und Umwelt die Maßnahmen auszubauen. Dass ein solches Vorhaben erfolgreich umgesetzt werden kann, zeigt die Regierung der Region Stockholm. Über die Implementierung sogenannter „Negativer Beschaffungslisten“ konnte die Region die Reduktion gefährlicher Chemikalien vorantreiben, insbesondere Stoffe, mit denen Kinder und Jugendliche häufig in direkten Kontakt kommen. Für dieses Engagement wurde die Stockholmer Regionalregierung mit dem Future Policy Award des World Future Council ausgezeichnet.

Von besonderer Bedeutung für die Gestaltung einer wirksamen Regulierung sind effiziente Möglichkeiten zur fortlaufenden Untersuchung der Belastungssituation. Hervorzuheben ist hier das laufende Forschungsvorhaben des Hamburgers Zentralinstituts für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, das sich insbesondere der Methodenentwicklung für die PFAS-Analytik im Humanbiomonitoring widmet. Die Ergebnisse dieser Forschung sollten zügig für die Praxis verfügbar gemacht werden, um auch in der regulatorischen Gestaltung von Nutzen zu sein.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. zu prüfen, wie im Rahmen der Weiterentwicklung des Umweltleitfadens hin zu einem Nachhaltigkeitsleitfaden für die Beschaffung auch das Thema „Chemikalien mit besonders hohen Risiken für Gesundheit und Umwelt“ aufgegriffen werden kann mit dem Ziel, mit Hilfe von praxisgerechten und handhabbaren Vorgaben für die öffentliche Beschaffung in Zukunft deren Einsatz zu reduzieren.

2. über die Erkenntnisse und mögliche regulatorische Ansätze aus der Forschung des Zentralinstituts für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin zu PFAS zu berichten sowie zu prüfen, inwiefern diese Ergebnisse Verbraucher*innen zugänglich gemacht werden können.

3. der Bürgerschaft zu 1. bis zum 31.12.2024 und zu 2. bis zum 30.06.2025 zu berichten.

 

 

sowie
  • Ulrike Sparr
  • Miriam Block
  • Eva Botzenhart
  • Rosa Domm
  • Olaf Duge
  • Sonja Lattwesen
  • Dominik Lorenzen
  • Zohra Mojadeddi
  • Johannes Alexander Müller
  • Andrea Nunne
  • Lisa Maria Otte
  • Charlotte Stoffel (GRÜNE) und Fraktion